Die Geschichte von Braunschweig und Roselies

Die niedersächsische Stadt Braunschweig wird sich in diesen Tagen des 100. Jahrestags des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs einem tragischen Kapitel der eigenen Geschichte bewusst. Am 22. und 23. August 1914 machte das Husaren-Regiment 92 ihrer Losung auf der Pickelhaube „Pardon wird nicht gegeben!“ in der Ortschaft Roselies in der Provinz Hennegau alle Ehre. In der Nazizeit wurden die Gräueltaten von damals als Heldentaten missbraucht.

In den ersten Tagen und Wochen des Ersten Weltkriegs lag die kleine Ortschaft Roselies, die zur Gemeinde Aiseau-Presles in der Provinz Hennegau in der Nähe von Charleroi gehört, auf dem Aufmarschweg der Truppen aus dem deutschen Kaiserreich. In der Nacht vom 21. auf den 22. August erreichte das Husaren-Regiment 92 aus Braunschweig (Das Foto oben zeigt dieses Regiment vor dem Braunschweiger Schloss) die Ortschaft und wurde offenbar sofort in ein Feuergefecht verwickelt.

Dieses Husaren-Regiment gehörte zu einer ganzen Reihe von Elite-Regimentern des deutschen Kaiserreichs und des Herzogtums Braunschweig. Der Kaiser und der Herzog forderten auch von den „92er“ ein hartes Vorgehen beim Durchmarsch durch Belgien gen Frankreich. Wenn es sein musste, auch gegen die Zivilbevölkerung. Das braunschweigische Husaren-Regiment 92 trat besonders martialisch auf und neben dem Totenkopf auf ihren Pickelhauben hatten die Soldaten die Losung: „Pardon wird nicht gegeben!“

Dies bekam die kleine Ortschaft Roselies deutlich zu spüren, denn als Reaktion auf den Schusswechsel mit den Belgiern, darunter auch Zivilisten und ein Pfarrer, brannten die Husaren die Häuser der Stadt nieder. Dabei nahmen sie keine Rücksicht auf jene Menschen, die sich in ihren Häusern versteckt hielten. Dieses Vorgehen des Husaren-Regiments 92 wurde im Nachhinein als „Strafgericht“ und „Feuertaufe“ hoch gelobt und sogar in einem Gemälde verherrlicht. Doch nach heutiger Lesart waren die dortigen Vorgänge Kriegsverbrechen.

Wenn Kriegsverbrechen zu Heldentaten werden…

Das allerdings sahen die Nazis anders und auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Name der Ortschaft Roselies in Braunschweig genutzt - offenbar ohne große Sachkenntnis zu dem Geschehen im August 1914.

Die deutsche Wehrmacht baute 1938 im Südosten der Stadt Braunschweig eine neue Kaserne und nannte diese „Roselies-Kaserne“. Der Name der belgischen Ortschaft, die die „92er“ fast völlig ausgelöscht hatten, war für die Nazis ein gutes Beispiel für den von ihnen geplanten Vernichtungskrieg.

Die deutsche Bundeswehr übernahm die Kaserne 1956 unter ihrem Namen „Roselies“, offenbar ohne die wirkliche Geschichte zu kennen oder den Namen und dessen Herkunft zu hinterfragen. Erst jetzt in den Tagen, in denen die Welt dem 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs gedenkt, erinnert man sich in Braunschweig der Verantwortung.

Doch erst musste die Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS) im Rat der Stadt Braunschweig dieses Thema an den Mann bringen, was offenbar kein leichtes Unterfangen war.

Braunschweig wird wach

Auf mehreren Webseiten wird die Geschichte des Husaren-Regiments 92 eindrucksvoll erzählt, z.B. auf „Jetzt schlägt’s 13“, auf "braunschweig-spiegel-politik" und auch auf „Braunschweig-online.com“. Mittlerweile wird sich auch der Stadtrat von Braunschweig dieser Geschichte bewusst. Auch von dieser Seite her wurde der Ortsname „Roselies“ gerne genutzt, zum Beispiel als Straßenname, Ortsteilbezeichnung und ähnliches.

Mitte Juli 2014 wurde in Braunschweig beschlossen, Kontakt mit der Gemeinde Roselies aufzunehmen. Vor einigen Tagen richtete Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD) ein offizielles Schreiben an den Generaldirektor der Gemeinde Aiseau-Presles, zu der Roselies gehört.

Darin regt der niedersächsische Bürgermeister aufgrund der neuesten Erkenntnisse zu den damaligen Ereignissen eine „Art Erinnerungspartnerschaft“ mit Aiseau-Presles an. Und bei den Gedenkfeiern in der belgischen Ortschaft sind in diesen Tagen Braunschweiger auf Eigeninitiative zu Gast.

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