Ostbelgien: Bald wieder Bergbau im Dreiländereck?

In der vergangenen Woche fand im ostbelgischen Kelmis unweit der deutschen Grenze am Dreiländereck eine Bürgerversammlung statt, in der über mögliche Bergbauaktivitäten in der Region referiert wurde. Das Unternehmen WalZinc aus der Wallonie möchte in der früheren Zink- und Bleiabbauregion nach wichtigen sogenannten seltenen Erden suchen, aber auch wieder nach Zink. Dieses Metall ist im Zuge der wohl kommenden Elektromobilität ein begehrter Rohstoff.

Die Gegend um das Dreiländereck in Vaals in der niederländischen Provinz Südlimburg und um die ostbelgischen Gemeinden Kelmis, Plombières (früher Bleiberg), Lontzen und Raeren ist heute eine idyllische Region, in der in erster Linie Landwirtschaft und sanfter Tourismus betrieben wird. Doch das war nicht immer so. In der früheren Enklave Neutral-Moresnet, ein durch den Versailler Vertrag entstandener autonomer Zwergstaat, wurde früher emsig nach Blei und Zink gegraben und hier entstand im früheren Ort Altenberg (heute Kelmis) das noch immer existierende Bergbauunternehmen „Vielle Montagne“, dass inzwischen Umicore heißt.

Neutral-Moresnet mag heute nur noch ein Detail der regionalen Geschichte in der Euregio Maas-Rhein sein, doch mit der inzwischen 104 Jahre alten Catharina Meesen lebt in der kleinen Ortschaft Moresnet-Village (Moresnet-Dorf) - quasi unter dem riesigen Eisenbahnviadukt auf der Strecke Aachen-West nach Montzen aus dem Ersten Weltkrieg - der letzte Mensch, der in diesem 1920 aufgegebenen Ministaat noch geboren wurde.

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Moresnet und der berühmte Viadukt in den 1970ern

Gebrauchsgegenstände und E-Autos

Das ausgerechnet diese Idylle jetzt durch das Vorhaben, hier wieder Bergbau betreiben zu wollen, aufgeschreckt wird, liegt an der technischen Aktualität. Zur Herstellung von für uns heute völlig normalen Alltagsgegenständen, wie Handys oder Smartphones braucht man sogenannte „seltene Erden“. Das sind Rohstoffe, die nicht überall auf der Welt zu finden sind, sondern nur an bestimmten Orten unter bestimmten geologischen Gegebenheiten.

Für moderne elektronische Geräte braucht man z.B. Gallium, Germanium oder Iridium. Und diese Stoffe sind dort zu finden, wo auch Blei und Zink in der Erde schlummern. Damit könnte ein Unternehmen, wie jetzt WalZinc, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und sowohl eben „Seltene Erden“, als auch für Elektroautos und deren Batterien oder Akkus benötigtes Zink und Blei.

Damit wäre man in Europa unabhängiger von entsprechendem Bergbau im Kongo, wie die Chinesen ihre Hand drauf haben. Das dort in dieser Konfliktregion unter problematischen Bedingungen Bergbau betrieben wird (sprich auch mit Kinderarbeit), ist ebenfalls ein Argument, wie der Lütticher Bergbau-Fachmann Eric Pirard während der Bürgerversammlung in Kelmis andeutete. Übrigens, das oben erwähnte Bergbauunternehmen Umicore ist dort auch aktiv…

Cedric Hatto

Was ist konkret geplant?

Das Bergbau- und Ingenieurs-Unternehmen WalZinc aus Wavre in Wallonisch-Brabant will 7 Mio. € in Probebohrungen in der Region Kelmis/Plombières/Raeren investieren. Diese ostbelgischen Gemeinden liegen in unmittelbarer Nähe zu den Grenzen nach Nordrhein-Westfahlen bei Aachen und Vaals in Südlimburg in den Niederlanden. Die Gegend, in der WalZinc Probebohrungen zur Suche nach Blei, Zink und vielleicht auch Iridium, Gold oder Silber, ist etwa 140 Quadratkilometer groß.

WalZinc verfügt nach Angaben der niederländischen Tageszeitung NRC Handelsblad aber nur über ein Kapital von 18.000 €. Doch offenbar gibt es einen guten Draht zur wallonischen Regionalregierung, denn dort denkt man offenbar bereits darüber nach, das Bergbaugesetz anzupassen, damit im Dreiländereck tatsächlich nach „seltenen Erden“ gesucht werden kann.

Entsetzte Tourismus-Verantwortliche

Die Probebohrungen sind auf eine Dauer von fünf Jahren angesetzt und verursachen keine Schäden an der Natur vor Ort. Bei einem effektiven Beginn von Bergbauaktivitäten allerdings liegt ein großes Problem vor, dass Bergbaufachleute (z.B. von der RWTH in Aachen und von der Lütticher Universität ULG) nicht unterschätzen: Grundwasserprobleme durch Erdverschiebungen beim Bergbau.

Große Probleme erwartet auch der Fremdenverkehrssektor in der Region. Albert Stassen aus Plombières, Vorsitzender des Tourismusverbandes „Drei Grenzen“, gab gegenüber dem NRC Handelsblad, der flämischen Tageszeitung De Morgen und den ostbelgischen Medien Grenzecho und BRF an, dass man das Schlimmste befürchte. Man habe drei Generationen lang gebraucht, um die alten Bergbauschäden zu beseitigen und um eine kleine aber feine Form des Fremdenverkehrs hinzukriegen. Ähnlich lautet auch die Kritik vom Tourismusverband der süd-limburgischen Gemeinden Vaals und Gulpen-Wittem (VVV Zuid-Limburg) in den angrenzenden Niederlanden.

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Bergbau in der Idylle? Irgendwo zwischen Moresnet und Bleiberg

Alles kein Problem?

Geert Trappeniers von WalZinc jedoch wiegelt diese Kritik ab. Ein eventueller Abbau von wertvollen Rohstoffen im Boden der genannten Region habe keine negativen Effekte auf die Gesellschaft, Landschaft und Natur, sagte er gegenüber NRC Handelsblatt schon im Oktober 2017: „Gewonnene Rohstoffe werden unterirdisch abgeführt und zum nahen Bahnhof Montzen gebracht, wo sie per Zug nach Stolberg bei Aachen transportiert werden.“ Man investiere Geld aus Belgien und sorge für Arbeit in der Region, so die weiteren Argumente.

Dr. Alexander Hennig von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen erwartet ebenfalls keine großen Probleme, schon gar nicht im Zuge der Probebohrungen, wie er Mitte Dezember gegenüber der deutschsprachigen Tageszeitung Grenzecho in Eupen erklärte. Er wisse, wie moderner Bergbau funktioniere: „Man darf keine Angst vor Bergbau haben, wenn er vernünftig gemacht wird.“

Bergbau, bzw. die Suche nach Rohstoffen um Untergrund funktioniere mit unterirdischen Sprengungen: „Eine Bergbausprengung ist relativ leise - vorausgesetzt, sie ist gut gemacht. Auch die Erschütterungen sind nicht dramatisch. Übertägig merkt man kaum etwas davon.“ Da können die Bewohner der Region um Groningen im Norden der Niederlande allerdings von anderen Erfahrungen berichten. Dort werden ab und zu regelrechte Erdbeben registriert, wenn dort im Boden per Sprengung nach Erdgas gesucht wird…

Kritische Bürger

Die Informationsversammlung in Kelmis letzte Woche war offenbar notwendig. Die Bürger der betroffenen Region waren verunsichert und konnten durch entsprechende fachlich fundierte Expertenmeinungen beruhigt werden.

Die einen können sich vorstellen, dass eine Form von Bergbau in ihrer Gegend wirtschaftlich durchaus förderlich sein könnte und vielleicht springen ja auch einige Arbeitsplätze für Bewerber aus der Region dabei heraus.

Die anderen sind zwar jetzt besser informiert, doch sie bleiben gegen das Vorhaben gerichtet. Sie machen sich Sorgen über ihre Lebensqualität und die intakte Umwelt und um die Früchte, die sie daraus gewinnen können, sowohl auf Ebene der Landwirtschaft, als auch auf Ebene des Fremdenverkehrs und des Naherholungs-Tourismus. Eines bleibt aber positiv vor zu heben, wie das Grenzecho und der BRF-Rundfunk nach dem Treffen meldeten. Alle Gespräche verliefen sachlich und ohne Streit. Das ist in unseren Zeiten von aggressivem Bürgerzorn nicht unbedingt selbstverständlich.

Plötzlicher Rückschlag für das gesamte Vorhaben

Allerdings erhielt das Projekt am Dienstag einen Rückschlag. Carlo Di Antonio (CDH), der Umweltminister der Wallonischen Region, ließ ein Genehmigungsverfahren für Probebohrungen durch WalZinc bis auf weiteres einstellen. Dieser Vorgang ist auf einen Verfahrensfehler zurückzuführen, denn der öffentliche Aushang zu diesem Vorhaben war nicht in allen Ortschaften der betroffenen Gemeinden zu konsultieren. Diesen Fehler fand Albert Stassen, der Vorsitzende des Tourismusverbandes „Drei Grenzen“ heraus und teilte ihn den zuständigen Behörden umgehend mit, wie Grenzecho und BRF dazu meldeten.

Interessante Bücher

Über die Region, dass Dreiländereck zwischen Belgien, den Niederlanden und Deutschland, bzw. das frühere Neutral-Moresnet sind zwei hochinteressante Bücher erschienen.

In „Zink“ erzählt der flämische Autor, Journalist und Historiker David Van Reybrouck („Kongo“, „Gegen Wahlen. Warum Abstimmen nicht demokratisch ist“) die Geschichte von Neutral-Moresnet anhand einer Familiengeschichte. Das Buch ist in deutscher Sprache bei Suhrkamp erschienen.

In „Niemandsland“ geht der niederländische Autor Philip Dröge von historischen Büchern ebenfalls auf die Geschichte dieses Landstrichs ein. Der Untertitel „Die unglaubliche Geschichte von Moresnet, einem Ort, den es eigentlich gar nicht geben durfte“ sagte bereits vieles. Hier wird historisch hinter die Kulisse, dieses Gebietes, um das sich Preußen und das Königreich der Niederlande 1816 stritten, geblickt. Dieses Buch erschien in deutscher Sprache bei Piper.

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