Interview mit einem ehemaligen IS-Kämpfer

VRT-Kriegsberichterstatter Rudy Vranckx konnte per Telefonschaltung in einem Gefängnis im Irak mit dem früheren belgischen IS-Kämpfer Tarik Jadaoun (Foto) sprechen. Journalisten des NDR und des SWR konnten den Belgier interviewen und riefen unseren Kollegen von dort aus an, damit dieser Jadaoun ebenfalls befragen konnte. Dabei kündigte Jadaoun an, mit den belgischen Sicherheitsdiensten kooperieren zu wollen. Der radikale Islamist entschuldigte sich bei dem Gespräch auch für die Anschläge von Paris und Brüssel.

Tarik Jadaoun aus Verviers (Prov. Lüttich) gilt als einer der berüchtigtsten IS-Terroristen aus Belgien. Er war es, der sich nach den Terroranschlägen auf Zaventem und Brüssel am 22. März 2016 per Videobotschaft im Namen der Terrororganisation IS zu den Attentaten bekannte und er war es, der junge Leute in Belgien dazu anstachelte, sich IS anzuschließen oder Anschläge zu verüben. Von ihm wurde auch gesagt, dass er der „neue Abaaoud“ sei. Das war der, der die Terroranschläge von Paris und Brüssel koordiniert hatte. Er kam bei einer Schießerei mit französischen Polizisten ums Leben.

Jadaoun, Kämpfername Abu Hamza Al-Belgiki, kämpfte seit 2014 für IS in Syrien und im Irak und nach eigenen Angaben hatte er auch mit der Ausbildung von Kindersoldaten für seine Terrorgruppe zu tun. Doch im Juli dieses Jahres nahmen ihn irakische Truppen während der Schlacht um Mosul fest und seitdem ist er dort im Gefängnis. Gegenüber Rudy Vranckx und seinen deutschen Kollegen sagte Jadaoun, dass er vielleicht wichtige Informationen für die belgischen Ermittler habe.

Diese jedoch habe er nur kurz gesehen. Belgischen Terrorermittlern wurden nur zwei Tage Zeit eingeräumt, um mit Tarek Jadaoun zu sprechen. US-Geheimdienstler verhörten ihn allerdings über vier Monate hinweg regelmäßig. Auf die Frage von Rudy Vranckx, über welche Informationen er denn verfüge, sagte er: „Die Information, die ich habe, wiegt vielleicht nur leicht, aber vielleicht kann man mit kleinen Informationen große Dinge erreichen.“

Jadaoun galt bei Terrorermittlern in ganz Europa schon vor Paris und Brüssel als gefährlicher IS-Terrorist. Schon damals verhaftete IS-Anhänger sagten bei Verhören aus, dass er an Anschlägen auf Ziele in Westeuropa arbeite und Terrorzellen aufbaue.

"Keine Beweise gegen mich"

Tarik Jalaoun erzählte unserem Kollegen, dass man ihm nichts vorwerfen könne. Er sei zwar Mitglied bei einer Terrorgruppe gewesen, doch das sei auch alles gewesen: „Es gibt keine Beweise. Die Anschläge von Paris und Brüssel sind nicht mein Fehler. Ich habe sie nicht befohlen. Ich habe sie nicht geleitet.“ Er habe auch nicht wirklich gekämpft sondern an der Front nur als Krankenpfleger gearbeitet.

Dies allerdings mag angesichts der Fotos, die Jalaoun selbst über Jahre hinweg auf Facebook gepostet hat, bezweifelt werden. Hier war unter anderem die Leiche eines mutmaßlichen kurdischen Kämpfers zu sehen, den Jalaoun damals nach eigenen Angaben selbst umgebracht haben wollte.

Trotz der Aussage, dass er nichts mit Attentaten und Kampfhandlungen zu tun haben will, entschuldigte sich Tarek Jalaoun vor laufender Kamera für die Anschläge von Paris und Brüssel: „Ich hoffte eigentlich zurückkehren zu können, um mich bei der Bevölkerung von Frankreich und Belgien, die dabei betroffen waren, zu entschuldigen. Ich will ihnen erklären, warum einige Dinge passiert sind.“ Er wolle auch seine Frau, die er in Syrien geheiratet hatte, und seine Familie in Belgien wiedersehen.

Ob er dazu jemals eine Möglichkeit haben kann, mag bezweifelt werden, denn er riskiert im Irak die Todesstrafe. Überdies besteht zwischen dem Irak und Belgien kein Auslieferungsabkommen für IS-Kämpfer. Daran wird sich in absehbarer Zeit wohl auch nichts ändern.

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Interview per Mobiltelefon

"Jadaoun braucht nicht mit Hilfe zu rechnen"

Koen Metsu (N-VA), der Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses zur Terrorbekämpfung, ist der Ansicht, dass Tarik Jadaoun keine Hilfe aus Belgien für eine eventuelle Heimkehr erwarten dürfe: „Wenn man nach Syrien oder in den Irak zieht, um kämpfen zu gehen, dann weiß man, was einen erwartet. Daneben existieren keinerlei Auslieferungsabkommen mit dem Irak oder mit Syrien. Als kann man in einfach nicht in unser Land überstellen.“

Mitleid für einen radikalen Islamisten, der Kindersoldaten um Alter von zwischen 8 und 13 Jahren an der Waffe und im Kampf ausgebildet habe und der an den Anschlägen von Paris und Brüssel beteiligt war, könne man nicht erwarten, so Metsu.

Der Ausschussvorsitzende glaubt auch, dass Jadaouns Aussage, Informationen zum möglichen Aufenthaltsort von weiteren IS-Kämpfern aus Belgien für die Geheimdienste zu haben, eine Form von „Kuhhandel“ seien. Er will jetzt wissen, wie die zweitägigen Gespräche Jadaouns mit Vertretern der belgischen Nachrichtendienste verlaufen sind und wie die entsprechenden Kontakte zwischen den entsprechenden Stellen in Belgien und dem Irak zustande kamen.

Frauen und Kinder

Inzwischen laufen Gespräche auf diplomatischer Ebene zwischen Belgien und den beiden Ländern Irak und Syrien zu einer eventuellen Rückkehr von dort noch befindlichen Frauen und Kindern von IS-Kämpfern aus unserem Land. Sorgen bereitet den Behörden die Meldung, dass zwei kleine Kinder irgendwo in Syrien ohne jegliche Begleitung sein sollen, da beide Elternteile wohl ums Leben gekommen sind. Mit diesem Thema befasst sich auch Kriegsberichterstatter Vranckx in diesen Tagen intensiv.

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