Nach Charlottesville: Verbannt Lanaken Verschaeve?

Der Bürgermeister von Lanaken will den zu Ehren von Cyriel Verschaeve gewählten Straßennamen abschaffen. Der Flame war wegen seiner Kollaboration mit den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs zum Tode verurteilt worden.

Im regionalen Radioprogramm hat Bürgermeister Mario Keulen (Open Vld) erklärt, das ehemalige SS-Mitglied Verschaeve habe an einer der schwierigsten Seiten der Kriegsgeschichte mitgeschrieben.  Der liberale Politiker will die Cyriel Verschaevestraat umtaufen lassen.

Im Zuge der Proteste in Charlottesville gegen das Standbild des Südstaatengenerals Robert E. Lee werden auch hierzulande Debatten über Straßennamen und Statuen geführt.

Die Straße in der limburgischen Kleinstadt war in den 1970er Jahren nach Verschaeve benannt worden, als die Straßen eines neuen Wohnviertels auf die Namen flämischer Dichter und Autoren getauft wurden.

Der im westflämischen Ardooi geborene Verschaeve erhielt die Priesterweihe und unterrichtete u. a. an flämischen Volksschulen.  Er entwickelte sich auch zu einem Befürworter der katholischen flämischen Bewegung und setzte sich im Ersten Weltkrieg an die Spitze der Frontsoldaten, die sich gegen die vorherrschende Rolle des Französischen bei der Armee wehrte und Autonomie für Flandern forderte.

Nach dem Krieg wandte er sich verstärkt faschistischen Bewegungen und u. a. dem Nationalsozialismus zu. "Im Zweiten Weltkrieg war er auf der Seite von Himmler und der Nazis", so Keulen: "Eine Straße nach jemanden benennen ist eine Ehre. Gerade deshalb muss dieser Straßenname abgeschafft werden."

Auch in Breendonk in der Provinz  Antwerpen gibt es eine Cyriel Verschaevestraat. Eine jüngst veranstaltete Umfrage unter den Bürgern ergab, dass die Mehrheit der Bewohner den Straßennamen behalten möchte. Dafür hat Keulen Verständnis: "Nicht jeder kennt die Geschichte seiner Heimat. Viele denken zuerst an praktische Unnahmlichkeiten wie Ausweis- und Adressänderung, Visitenkarten ... Aber ich bleibe bei meinem Standpunkt, auch wenn es uns Zeit kostet."

Die ganze Debatte sei auch hilfreich, um Menschen ihre Vergangenheit bewusst zu machen. "Wer die Geschichte kennt weiß, dass dieser Mann keinen Straßennamen verdient hat."

Dentergem will seine Joris Van Severenlaan behalten

Die Gemeinde Dentergem gab bekannt, dass weder die Bürger noch die Behörden die Änderung der Joris Van Severenlaan veranlassen wollten. Bürgermeister Koenraad Degroote (N-VA) sagte gegenüber dem Regionalradio, er habe nie wirkliche Klagen oder Bemerkungen erhalten, mit Ausnahme einiger anonymer Briefe. Ein Teil wisse auch nicht, wer Van Severen sei, der ihm eine gewisse historische Bedeutung beimisst.

Joris Van Severen hatte im Ersten Weltkrieg als Soldat gekämpft und sich 1931 dem faschistischen Verdinaso angeschlossen. Obwohl er selbst nicht mit den deutschen Besatzern zusammenarbeitete, wurde er im Mai 1940 festgenommen und an Frankreich ausgeliefert und von französischen Soldaten erschossen.

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