Für die Forschung auf die Straße

An diesem Samstag um 14 Uhr gehen Forscher in Brüssel für die Wissenschaft auf die Straße und sie sind nicht die einzigen. Mehr als 400 Märsche rund um die Welt wollen daran erinnern, dass wissenschaftliche Belege wichtig sind, dass Forschung große Auswirkungen auf unser Leben hat und eine wichtige Rolle in unserem Alltag spielt. "Die Wissenschaft hat mehr Einfluss auf all unsere Entscheidungen im täglichen Leben als wir denken und wir sind der Überzeugung, dass politische Entscheidungen das auch reflektieren sollten", sagt Dr. Charlotte Thorley (Foto), die Hauptorganisatorin des Marsches in Brüssel. Unsere Redaktion hat vorab ein Interview auf Englisch mit ihr geführt. Lesen Sie hier die deutsche Übersetzung.

1) Warum demonstrieren Sie am 22. April in Brüssel?

"Wir gehen am 22. April in Brüssel auf die Straße, um die Wissenschaft zu unterstützen und politischen Entscheidungsträgern überall auf der Welt zu zeigen, dass den Menschen Forschung am Herzen liegt. Das ist gerade jetzt wegen der weltpolitischen Veränderungen besonders wichtig und wurde durch die von der Trump-Regierung durchgeführten politischen Veränderungen ausgelöst.

Trumps Einschnitte bei den Mitteln für die Umweltschutzbehörde und für andere Behörden sind hinsichtlich der Reduzierung der den Amerikanern angebotenen Leistungen ein Problem. Sie machen aber auch deutlich, dass seine Politik auf reiner Ideologie und auf einem politischen Spiel begründet ist und negieren eine Reihe von Tatsachen, die Forscher auf der ganzen Welt durch ihre Demonstrationen belegen, nämlich dass solche Leistungen notwendig sind. Wir brauchen eine Politik zuverlässiger Erkenntnisse, die uns allen, der heutigen Generation und allen künftigen Generationen, ein gesundes und qualitativ hochwertiges Leben ermöglicht."

2) Was könnte Trumps Politik für die europäischen Forscher bedeuten?

"Europäische Forscher sind globale Wissenschaftler. Die Ausrichtung der Wissenschaft ist international und die beste Forschung erfolgt in Forschungsgruppen mit Leuten unterschiedlicher Herkunft, die wegen ihrer Expertise und nicht wegen ihres Geburtsortes ausgewählt wurden. Trumps Reiseeinschränkungen führen hierbei unmittelbar zu Problemen, weil es Forschern dadurch nicht leicht gemacht wird, ihre Kooperationen in Amerika oder ihre Zusammenarbeit mit amerikanischen Forschern aufrecht zu erhalten. Langfristig ist meine Hauptsorge jedoch, dass das Volk dem folgt, was Trump vorgibt, nicht nur was seine Einstellung zu grenzüberschreitenden Aktivitäten betrifft, sondern auch darin, wie sie die Wissenschaft bewerten.

Obwohl die Aktionen der Trump-Regierung Anlass für den “Marsch der Wissenschaftler” sind, ist seine Regierung nicht die einzige, die derzeit versucht, populistische Haltungen zu fördern – etwas, das ich nur zu gut kenne, da ich gerade erst nach dem Brexit-Votum aus dem Vereinigten Königreich weggezogen bin.

Wenn Regierungen auf internationaler Ebene die Wissenschaft nicht fördern und Forschungsprojekte nutzen, um ihre Politik zu untermauern, könnten wir uns einer breiten Öffentlichkeit gegenübersehen, der das Vertrauen in die Wissenschaft fehlt und die Wissenschaft und Forschung nicht unterstützen will."

3)Welche Auswirkung wird Trumps Politik auf den Klimaschutz und auf andere Forschungsbereiche haben?

"Trump hat wiederholt zu verstehen gegeben, dass er nicht an den Klimawandel glaubt und seine Politik spiegelt diese Haltung wieder. Was mich besonders beunruhigt ist, dass er aus den Pariser Klimaverträgen aussteigen wird und dass andere Länder Amerikas Beispiel folgen werden. Das würde bedeuten, dass jede weltweit koordinierte Antwort auf den Klimawandel zum Stillstand käme und ein neues Abkommen auszuarbeiten, mit dem die USA dann zufrieden wären, würde nahezu unmöglich. Das hätte desaströse Folgen für die Zukunft des Planeten.

Ich mache mir aber auch Sorgen darüber, wie diese Politik die Menschen in ihrem Alltag beeinflusst. Indem sie dazu gedrängt werden, in diesem Bereich vorgelegte bewiesene Erkenntnisse abzulehnen, könnten sie geneigt sein, auch in anderen Bereichen wie dem medizinischen, auf Beweise zu verzichten. Was, wenn die Leute keine wirksamen Entscheidungen über ihre eigene Gesundheit treffen, weil sie nicht an eine moderne fundierte Medizin geglaubt haben? Sie würden keine so gute Behandlung erhalten, wie sie bekommen könnten und das könnte Konsequenzen für ihre Gesundheit haben.

Die Wissenschaft hat mehr Einfluss auf all unsere Entscheidungen im täglichen Leben als wir glauben und wir sind der Überzeugung, dass politische Entscheidungen das auch reflektieren sollten."

4) Wie kann die Europäische Union darauf reagieren, was sollte sie tun?

"Die EU sollte weiter Forschungsarbeiten fördern und die Auswirkungen dieser Arbeit demonstrieren. Die Förderung der Forschung sollte auch bei der nächsten Finanzanalyse eine hohe Priorität behalten. Doch noch wichtiger ist, dass die EU für die Ideale der Forschung eintritt, die internationale Kooperation fördert und Verantwortung und Engagement bei der Art und Weise, wie Forschung betrieben wird, zeigt. Dabei ist Transparenz ausschlaggebend. Die Öffentlichkeit muss wissen, welcher Forschung sie vertrauen kann. Und das bedeutet, den Prüfungsprozess aufzuzeigen, der durchlaufen wurde.

Eine Öffnung der Wissenschaft reicht nicht aus. Nur eine größere Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Art und Weise, wie Forschung betrieben wird, wird der Öffentlichkeit helfen, Vertrauen in die Wissenschaft zu gewinnen."

5) Wie kann jedes einzelne europäische Land, zum Beispiel auch Belgien, hierzu beitragen?

"Ich würde die gleichen Vorschläge, die ich der EU mache, auch den einzelnen Ländern antragen. In Belgien haben wir ein komplexes System der Forschungsförderung, aber eines, das sowohl die Grundlagenforschung als auch die angewandte Wissenschaft wertschätzt. Diese Unterstützung sollte nicht nur fortgesetzt werden, sondern es sind auch Anstrengungen nötig, um sicherzustellen, dass unsere Gesellschaft versteht, wie wertvoll diese Forschungsarbeiten sind.

Viele hervorragende Kommunikationspapiere und Sensibilisierungsmaßnahmen zur Wissenschaft zirkulieren in unseren Universitäten und Forschungszentren. Das zu unterstützen und eine Kultur verantwortungsbewusster Innovation und Forschung zu schaffen, ist von grundlegender Bedeutung."

Interviewführung und Übersetzung von Uta Neumann

Dr. Charlotte Thorley im Interview

Dr. Charlotte Thorley ist eine erfahrene Expertin in Kommunikation über Wissenschaftsthemen und des bürgerschaftlichen Engagements. Vor ihrem Umzug nach Brüssel hat sie unter anderem das "Centre for Public Engagement" an der Queen Mary University of London begründet.

Meist gelesen auf VRT Nachrichten