"Dieser Richter hat die Demokratie angegriffen"

Nach Ansicht von Bart De Wever (Foto), Parteichef der flämischen Nationaldemokraten N-VA und Bürgermeister von Antwerpen, hat der Richter, der urteilte, dass einer syrischen Familie ein humanitären Visum erteilt werden müsse, „die Demokratie mit seinem ungesetzlichen und weltfremden Beschluss angegriffen“. De Wever reagierte damit auf die Visum-Affäre um eine syrische Familie, die um Einreise in Belgien bittet. Der Vorgang hat ein Nachspiel vor dem Europäischen Gerichtshof.

Bart De Wever reagierte am Freitagabend in der VRT-Politsendung „Terzake“ auf die Visum-Affäre und die anhaltende Weigerung von Belgiens Staatssekretär für Asyl und Einwanderung, Theo Francken (N-VA – kl. Foto), mit deutlichen Worten. Bei der Visum-Affäre handelt es sich um eine vierköpfige syrische Familie aus dem Kriegsgebiet, die in der belgischen Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut ein sogenanntes „humanitäres Visum“ beantragt hat. Staatssekretär Francken weigert sich, dieses Visum zu erteilen, denn er ist der Ansicht, dass dieser Vorgang für eine Welle derartiger Asylanfragen sorgen wird.

Er und seine Partei N-VA haben kein Verständnis dafür, dass die belgische Justiz wiederholt urteilt, dieses Visum müsse erteilt werden. Für jeden Tag, an dem dieses Visum der syrischen Familie nicht erteilt wird, muss Francken ein Zwangsgeld von 4.000 € zahlen, was dieser ebenfalls verweigert.

Der Streit eskalierte, als in der vergangenen Woche erneut ein Richter urteilte, dass Francken dieses humanitäre Visum zu erteilen habe und er bestätigte das Zwangsgeld. Daraufhin reagierte die Partei Franckens, die N-VA, mit einem Twitter-Aufruf, Theo Francken gegen „weltfremde Richter“ zu schützen. Dies wiederum rief einiges an Kritik aus Mehrheit und Opposition hervor und auch von Seiten der belgischen Justiz.

Schnell kam das Thema „Gewaltentrennung“ auf die Tagesordnung und der Aufruf wurde laut, auch Politiker hätten sich den Gesetzen dieses Landes unterzuordnen und richterliche Urteile zu akzeptieren. Von „drohenden türkischen Verhältnissen“ war sogar bereits die Rede und von „diktatorischen Zügen“ innerhalb der N-VA.

"Ein Richter, nicht die ganze Magistratur"

In der VRT-Sendung „Terzake“ gab N-VA-Parteichef Bart De Wever zu erkennen, diese Trennung der Gewalten nicht mit Füßen treten zu wollen. Er habe aber das Recht, seine Meinung zu einem Urteil eines Richters äußern zu dürfen: „Diesen Beschluss eines Richters, ein frankophones Mitglied des Rates für Ausländerzwistigkeiten, halte ich für weltfremd, nicht korrekt und nicht gesetzlich. Ich spreche also nicht über die Magistratur im Allgemeinen, aber ich darf doch wohl meine Meinung sagen.“

„Dieser Richter greift mit diesem Beschluss unsere Demokratie an und Rechter tun das öfter. Richter dürfen keine Gesetze machen. Sie müssen das Gesetz anwenden und nicht ausweiten, verändern oder sogar negieren oder ein anderes Gesetz an die Stelle setzen. Hier handelt es sich um ideologische Überzeugung. Der Richter findet, dass ein Visum erteilt werden muss, doch das ist eine politische Entscheidung.“ De Wever zeigte auch Verständnis dafür, dass sich Staatssekretär Francken weigert, das Zwangsgeld zu entrichten: „Unter dem Druck eines Zwangsgeld ein Visum zu erteilen, stellt alles in Frage. Dann sieht jeder, da ist ein Loch.“

Der Fall liegt jetzt beim Staatsrat und De Wever glaubt, wenn Francken dort verliere, wäre dies ein großes Problem: „Wir versuchen, die Grenzen zu schließen und ein Richter darf sie nicht wieder öffnen. Das ist nicht seine Aufgabe. Wollen wir zurück zu einem freien Zustrom von Migranten nach Europa? Einwanderung muss entweder deutlich organisiert werden oder diese Menschen werden angespuckt.“

Nachspiel vor dem Europäischen Gerichtshof

Der belgische Rat für Ausländerzwistigkeiten macht jetzt die Probe aufs Exempel und zieht vor den Europäischen Gerichtshof. Der Rat wird dort eine Frage stellen, wie die frankophone Tageszeitung Le Soir am Samstag auf ihrer Internetseite meldet: „Kann eine Familie, die im Ausland wohnt, ein Visum beantragen, um danach in Belgien einen Asylantrag stellen zu können?“

Das Urteil, das der Europäische Gerichtshof (EuGH - kl. Foto) auf diese Frage geben wird, kann Auswirkungen auf ganz Europa haben. Das europäische Regelwerk sagte dazu, dass sobald ein Staat mit jemandem konfrontiert wird, der flüchten will, für eben diese Person Verantwortung hat und dafür sorgen muss, dass diese nicht Risiko läuft, Opfer von menschenunwürdiger Behandlung wird.

Die Frage des belgische Rat für Ausländerzwistigkeiten würde diese Regelung ergänzen, denn die Frage ist eigentlich die, ob dies auch gilt, wenn ein Land in einer seiner Botschaften im Ausland mit jemandem, der flüchten will konfrontiert wird. Asyl-Staatssekretär Theo Franken und seine Partei N-VA glauben, dass dies ein Tor aufreißen kann, über das unzählige Flüchtlinge nach Belgien (bzw. nach Europa) einreisen dürfen.

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