Euthanasie: "Beunruhigende Wendung?"

In den vergangenen zwei Jahren haben jeweils rund 60 Belgier Euthanasie aufgrund rein psychischer Leiden erhalten. Erstmals gibt es eine Statistik in einem Bericht des zentralen Euthanasieausschusses hierüber.

In drei von 100 Fällen wurde Euthanasie aufgrund psychischer Leiden durchgeführt. Es handelt sich um eine kleine Gruppe, sagt Professor Wim Distelmans, der Vorsitzende des Euthanasieausschusses.

"Es handelt sich um Menschen, die schon seit Jahren verschiedene Psychiater aufgesucht, mehrere Arzneimittel eingenommen haben und nach vielen Jahren zu dem Schluss gekommen sind, dass sie noch stets unter unerträglichen Schmerzen leiden. Wer sind wir, dass wir als Mediziner sagen können, Du muss das noch einmal 20 Jahre lang aushalten. Das sind echt Patienten, die lange behandelt wurden", erklärt Distelmans in der VRT.

"Es ist zudem eine sehr kleine Gruppe. Es sind nur ein paar Prozent der Sterbehilfen, die jedes Jahr durchgeführt werden."

Doch Kritiker stellen sich Fragen zur Euthanasie im Falle psychischer Krankheiten. Es handele sich nicht immer um Patienten mit psychischen Störungen, denen man nicht mehr helfen könne, betont Professorin Ariane Bazan in der VRT. Sie ist Psychologin an der französischsprachigen Universität von Brüssel.

"Wir erfahren auch von anderen Zeugen, von Familienmitgliedern, dass Euthanasie aus Gründen psychischer Leiden, die auf eher sozialen Faktoren wie Einsamkeit beruhen, anerkannt wird. Ich habe einen konkreten Fall vor Augen: Jemand fühlte sich während der Woche, nicht am Wochenende, einsam und erhielt eine Genehmigung für Sterbehilfe."

"Außerdem gehen Zeugenaussagen von Ärzten bei uns ein, die beunruhigend sind. Wir stellenn uns deshalb Fragen. Ich denke, dass wir mit diesen Punkten eine offene Debatte anstreben sollten", so die Psychologin.

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