Haus mit Geschichte: Jüdisches Museum Brüssel

Wenn die wunderbare Ausstellung zum Werk des französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson Ende August 2015 ausläuft, wird das Jüdische Museum in Brüssel für die Dauer von voraussichtlich zwei Jahren geschlossen. Das Gebäude in der Minimenstraat im Viertel der Zavel im Stadtzentrum wird gründlich renoviert, bzw. bis auf die historische Fassade gänzlich neu gebaut. Das Gebäude bzw. dessen Standort hat eine reichhaltige Geschichte zu erzählen.

Das Jüdische Museum in Belgien war jahrzehntelang in der Stalingradlaan in Brüssel zuhause, doch 2003 zog die Institution zu ihrem heutigen Standort an der Minimenstraat im Zavel-Viertel in der historischen Altstadt um. Das Gebäude und seine Umgebung haben eine reichhaltige Geschichte zu erzählen. Das Viertel existierte bereits im 14. Jahrhundert und seit dem 17. Jahrhundert ließen sich dort viele Familien aus der Brabanter Bourgeoisie nieder. Die Familie Verhaegen stellte ihr Haus zunächst einigen direkten Nachkommen zur Verfügung, bevor der Brüsseler Anwalt Fernand Cocq dort einen Teil der Neuen Universität einrichten ließ.

Zur Jahrhundertwende ging das Gebäude an der Minimenstraat 21 in den Besitz des deutschen Konsulats über. Fritz Wilhelm Müser, der damalige Konsul, ließ das ursprüngliche Gebäude 1901 vollständig abreißen, um dort 1902 die Deutsche Schule von Brüssel in einen Neubau einziehen zu lassen. Für diesen Neubau zeichnete der Brüsseler Architekt Octave Flanneau (u.a. Neugestaltung des Egmont-Palastes) verantwortlich, der der neuen Fassade einen eklektischen und neo-klassizistischen Stil verlieh.

Neben dem Deutschen Schulverein richtete sich dort auch die protestantische Pfarre Brüssels ein. Der Brüsseler Rabbiner Isaac Schwarz gab zwischen 1912 und 1914 jüdischen Schulkindern in der Deutschen Schule Religionsunterricht. Doch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde die Deutsche Schule geschlossen und 1920 ging das Gebäude in den Besitz des belgischen Staates über. Ab 1924 residierten dort das Militär- und das Kriegsgericht von Armee und Staat.

Krieg und Nachkriegszeit

Während des Zweiten Weltkriegs übernahmen die deutschen Besatzer wieder das Gebäude und richteten dort eine Zentrale der Militärpolizei und der Gestapo ein. In der Folge gab es dort auch eine so genannte „Feldschaltabteilung“, in der deutsche Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere abgeurteilt wurden, die sich im besetzten Belgien etwas zu Schulden hatten kommen lassen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlief die Geschichte des Gebäudes in der Minimenstraat einige Jahrzehnte lang eher unspektakulär. Längst wieder unter der Verwaltung des belgischen Staates und der staatlichen Gebäuderegie war das Haus zunächst eine Außenstelle des Archivs des belgischen Königreichs und es diente als Lager für Teile der Sammlung des Musikinstrumenten-Museums und des Nationalen Instituts für Leibeserziehung und Sport. Zwischen 1969 und 1990 aber war das Gebäude leer und ungenutzt in einen tiefen Schlaf gefallen.

Ab 1991 unterhielt Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien ihre Vertretung in Brüssel in dem Haus an der Minimenstraat. Im Jahr 2003 zog dann das Jüdische Museum in Belgien hier ein und schon früh wurden neben der permanenten Sammlung der Institution auch Kunstausstellungen präsentiert. Den Anfang machte der Lütticher Konzeptkünstler Jacques Charlier mit seinem Projekt „Déballage“ und mit Henri Cartier-Bresson endet der Kreislauf vor der einem Neubau gleichen Renovierung.

Nach der Renovierung will das Jüdische Museum in Belgien weiter ein offenes Haus für alle Kulturen darstellen. Seit dem Anschlag vom 24. Mai 2014, bei dem vier Menschen erschossen wurden, soll hier das Leben weiter gehen. Nach dem Schock nach dem Anschlag ist in diesem Haus eine neue Energie entstanden, die die Blicke spürbar in Richtung Zukunft richten lässt.

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