Belgien verteilt jetzt kostenlos Jod-Tabletten

Ab Dienstag sind in allen belgischen Apotheken kostenlos Jod-Tabletten erhältlich. Diese Tabletten sollen präventiv im Falle eines Atomunfalls mit freigesetzter Radioaktivität eingenommen werden, um damit Schilddrüsenkrebs zuvorzukommen. Die Verteilung findet im Rahmen einer Infokampagne der belgischen Bundesregierung zu den Risiken eines Atomunfalls statt. Der belgische Apothekerverband beteiligt sich aktiv an dieser Aktion.

Die Regelung im Falle eines Unfalls mit freigesetzter Radioaktivität in Belgien sieht vor, dass Jod-Tabletten in einem Radius von 100 km rund um eine nukleare Einrichtung, wie z.B. Kernkraftwerke, zur Verfügung stehen müssen.

Praktisch ist damit das gesamte Grundgebiet Belgiens gedeckt (und im Falle eines Falles auch betroffen - siehe Karte unten - die blauen Kreise sind entsprechende Radien um französische Kernkraftwerke). Nur eine belgische Gemeinde wäre nicht davon betroffen, nämlich die Kleinstadt Antoing an der französischen Grenze in der Provinz Hennegau (siehe weiter unten).

Die Apotheken bieten die Jod-Tabletten in 10er-Packungen an und erklären allen Interessierten, wie diese eingenommen werden sollen, wie sie aufbewahrt werden müssen und wie sie weiter verteilt werden können.

Empfohlen werden sie von den Apothekern allen Kindern und Jugendlichen unter 18, schwangeren Frauen und Müttern, die ihren Neugeborenen die Brust geben, sowie den Verantwortlichen für Kindergärten, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen.

Nach Angaben der belgischen Bundesregierung ist diese landesweite Verteilung von Jod-Tabletten eine Folge der Lektionen, die man 2011 nach dem Supergau im japanischen Fukushima gelernt habe. Von einem erhöhten Risiko, dass derzeit von belgischen Nuklearanlagen ausgehen könnte, sei also keine Rede.

Die Sicherheit der belgischen Kernkraftwerke ist seit dem Bekanntwerden von Haarrissen in den Reaktorummantelungen von zwei Meilern in den Kraftwerken von Tihange bei Lüttich und Doel bei Antwerpen grenzüberschreitend und international allerdings derzeit sehr umstritten.

(Lesen Sie bitte unter dem Foto weiter)

Die Radien um belgische Nuklearanlagen betreffen (fast) das gesamte Grundgebiet

Antoing: Zufluchtsort für Atomflüchtlinge?

Die Kleinstadt Antoing in der wallonischen Provinz Hennegau ist die einzige Gemeinde in ganz Belgien, die nicht in einem Radioaktivitäts-Radius liegt - weder für belgische, noch für französische Nuklearanlagen oder Atomkraftwerke. In der Kleinstadt Antoing leben etwa 7.500 Einwohner. Doch nach Angaben des belgischen Innenministeriums haben auch die Anwohner dieser Gemeinde Anrecht auf kostenlose Jod-Tabletten. Diese seien bei den drei örtlichen Apotheken zu beziehen.

Antoings Bürgermeister Bernard Bauwens (PS) und seine Apotheker nennen die Tatsache, dass sie von einem Supergau heimgesucht werden, mit Augenzwinkern aber eine „Fiktion“… Ansonsten empfehlen sie einen Besuch in ihrer Stadt, die mit Schlössern und einem römischen Grabeshügel (Fotos unten) aufwarten könne.

Was tun bei einem Atomunfall?

Neben der Verteilung von Jod-Tabletten für den Fall einer Nuklearkatastrophe gehört zu der Regierungs-Infokampagne zu diesem Thema auch umfassende Information, die auch in deutscher Sprache im Internet zu finden ist und zwar unter www.nuklearrisiko.be.

Bundesinnenminister Jan Jambon (N-VA) rät der Bevölkerung auch dazu, sich im belgische Alarmsystem Be-Alert anzumelden, denn hier wird man über derartige Vorkommnisse sofort informiert.

Seit Dienstag ist auch der aktualisierte Notfallplan für Atomunfälle in Kraft. Dieser wurde soeben im belgischen Staatsblatt veröffentlicht und ist damit offiziell.

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