Langsamer Lokführer provoziert Rauswurf

Ein Lokomotivführer der belgischen Bahngesellschaft NMBS/SNCB hat im Laufe dieser Woche zweimal mit voller Absicht eine Verspätung eingefahren, um damit seine Entlassung zu provozieren. Dieser Vorgang zeigt ein Problem, mit dem die Eisenbahnverwaltungen in Belgien akut zu tun haben. Der Lokführer will zu einer privaten Gesellschaft wechseln, doch eine einjährige Kündigungsfrist macht dies fast unmöglich.

Die Fakten liegen auf der Hand. Immer mehr private Bahngesellschaften sind inzwischen auch in Belgien unterwegs. Und diese Gesellschaften suchen händeringend nach geeignetem Personal, sprich nach Lokführern, die mit dem Maschinenpark und der hiesigen Signaltechnik vertraut sind und die die Streckenkenntnis haben, die für das Fahren von Güterzügen erforderlich ist.

Die privaten Bahnanbieter setzen dabei auch auf Lokführer der belgischen Bahn und locken diese mit einer deutlich besseren Bezahlung, mit einem Firmenwagen mit Tankkarte und mit einem Smartphone.

Die belgische NMBS/SNCB kontert diese Konkurrenz auf diesem spezifischen Arbeitsmarkt mit einer Kündigungsfrist für Lokomotivführer von einem Jahr, denn sie kann mit den Angeboten der in Belgien aktiven privaten Güterbahnen nicht mithalten. Berichte, nach denen rund 100 Lokführer der Staatsbahn gekündigt haben und auf einen Wechsel zu einem Privaten warten, konnte oder wollte die NMBS/SNCB nicht kommentieren oder bestätigen.Dies will einer der betroffenen Lokführer umgehen und zwar öffentlich. Der in Wallonien lebende Mann, Cédric Grumiaux, nennt sein tun „Operation Schnecke“.

In dieser Woche fuhr er mit einem Personenzug zwischen Mons (Hennegau) und Lüttich 37 Minuten Verspätung ein und ein weiter Zug, bei dem er im Führerstand saß, hatte zwischen Lüttich und Tournai (Hennegau) eine Viertelstunde Verspätung. Damit will Grumiaux zum einen seinen Rauswurf provozieren und zum anderen die Öffentlichkeit auf das Problem der langen Kündigungsfristen für seinen Berufsstand bei der NMBS/SNCB hinweisen.

Transferkrach wie im Fußball?

Wer hat jetzt recht, lautet die Frage. Arbeitsmarkttechnisch ist die Regelung der belgischen Staatsbahn ein Problem, denn sie behindert die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Doch die Bahn weist darauf hin, dass sie in die Ausbildung von Lokomotivführern investiert und dass sie die neuen Lokführer schon während dieser Ausbildung voll bezahlt. „Wir möchten dafür etwas zurückbekommen. Wir möchten die Früchte unserer Investierung selbst pflücken.“, sagt Bahnsprecher Dimitri Temmerman dazu.

Das Vorgehen von Cédric „Operation Schnecke“ Grumiaux verurteilt die Bahn denn auch, zumal die Fahrgäste der betroffenen Züge unter dem Vorfall zu leiden hatten und entsprechende Regressforderungen eingegangen sind. Sie will jetzt aber das Gespräch mit dem rebellischen Lokführer suchen und wird sich zu diesem Thema wohl auch mit den Eisenbahnergewerkschaften an einen Tisch setzen.

Das Ganze hat etwas von Transfergeschichten im Fußball, wo Spieler ihren Wechsel zu einem besseren und besser bezahlenden Verein provozieren und wo zwischen Clubs, die sich auf einen Transfer einigen, Ausbildungsvergütungen und weitere Prämien vereinbaren - oder auch nicht…

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