Steuerbrief in Französisch für 92 % aller Brüsseler

92 % aller Steuerbriefe, die in der Region Brüssel-Hauptstadt verschickt werden, sind in französischer Sprache verfasst. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass 92 % aller Brüsseler auch Frankophone sind. Offizielle Zählungen in Sachen Sprachenzugehörigkeit werden schon seit 1962, also seit der Festlegung der Sprachengrenzen in Belgien, nicht mehr durchgeführt. Deshalb könn(t)en solche Zahlen, je nach Interessen, immer wieder interpretiert werden.

Die frankophone Tageszeitung La Libre Belgique berichtet in ihrer Montagsausgabe über einen interessanten Sachverhalt, der nach einer parlamentarischen Anfrage in den Fokus des Interesses stieß. Seit dem die Sprachzugehörigkeit in Brüssel nach einem Mangel an gegenseitigem Vertrauen zwischen Frankophonen und Flamen in der Hauptstadt nicht mehr durchgeführt wurden und werden, versuchen die verschiedenen Sprachengruppen jeweils herauszufinden, wie viele Niederländisch-Sprachige tatsächlich in der Brüsseler Region leben.

Der Parlamentsangeordnete Gautier Calomne von den frankophonen Liberalen MR richtete jetzt eine entsprechende parlamentarische Anfrage an Bundesfinanzminister Johan Van Overtveldt von den flämischen Nationaldemokraten N-VA, um herauszufinden, wie viele Brüsseler von seiner Behörde ihre Steuerbriefe in Niederländisch verfasst beantragt haben. Aus den vorliegenden Zahlen ist für La Libre Belgique ersichtlich, das 8 % aller in Brüssel verschickter Steuerbriefe in Niederländisch verfasst sind. Das bedeutet, dass 92 % dieser Schreiben in Französisch verschickt werden.

Doch zeigt dies wirklich, wie viele Flamen oder Niederländisch-Sprachige tatsächlich in der Hauptstadt-Region leben? Nach Ansicht von Gautier Calomne sollten diese Zahlen mit der notwendigen Vorsicht betrachtet werden. Brüsseler haben die Wahl zwischen Französisch und Niederländisch als Schriftsprache ihrer behördlichen Post, sprich ihrer Steuerbriefe. Doch zahllose Haushalte sprechen zuhause eigentlich keine der beiden genannten Sprachen, kreuzen aber mehrheitlich offenbar eher Französisch an. Und wie ist es um Familien oder Partnerschaften bestellt, in denen ein Partner frankophon ist und der andere aus Flandern stammt?

Freie Interpretation?

Interessant ist hier auch die Tatsache, dass im Nordwesten Brüssels mehr Niederländisch gesprochen wird, als z.B. im Südosten. In der Brüsseler Gemeinde Jette werden etwas über 13 % aller Steuerbriefe in Niederländisch verschickt. Im eher mondänen frankophilen Watermael-Bosvoorde wurden nur rund 5 % dieser Schreiben in Niederländisch beantragt. Dass jetzt wieder die verschiedenen Sprachengruppen auf politischer Ebene diese Zahlen in ihrem Sinne für sich interpretieren werden, liegt auf der Hand.

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