Ehrenamt: Kritik an abgabenfreien Nebenjobs

Pläne der belgischen Bundesregierung, den Bürgern steuer- und abgabenfreie Nebenjobs zu ermöglichen, stoßen auf deutliche Kritik von Seiten von Wohlfahrts- und Arbeitnehmerverbänden sowie von Experten aus sozialwirtschaftlichen Kreisen. Die Möglichkeit, nicht zu versteuernde Nebenverdienste einnehmen zu können gehe zu Lasten des Ehrenamtes, so die Kritiker. Sie verweisen dabei auf die zahlreichen umstrittenen Mini- und Flexijobs, die derzeit angeboten werden.
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Die belgische Regierung ermöglicht Arbeitnehmer, die bereits in einem sozialversicherungs- und steuerpflichtigen Arbeitsverhältnis stehen, per Gesetz bis zu 6.000 € im Jahr (maximal 2.000 € im Monat) abgabenfrei hinzuverdienen dürfen.

Kritiker warnen vor den negativen Folgen für Vereine, Vereinigungen und Organisationen, die auf die Unterstützung von ehrenamtlichen Mitarbeitern angewiesen sind, aber auch für kleinere Mittelstandsunternehmen. Nicht zuletzt werde die soziale Sicherheit und deren Mittel ausgehöhlt.

Die flämische Tageszeitung De Morgen veröffentlichte am Mittwoch auf ihrer Webseite einen offenen Brief, in dem sich davon betroffene Organisationen über das neue Gesetz zum Nebenverdienst beklagen. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die sozialistische Krankenkasse, das Netzwerk gegen Armut und die Nord-Süd-Organisation 11.11.11, sowie Fachleute, wie der frühere belgische Bundesminister und heutige Uniprofessor Frank Vandenbroucke.

Sie alle bezeichnen die Pläne der Regierung Michel I. als schlecht durchdacht und fordern für jeden betroffenen Sektor eine Analyse von möglichen (negativen) Effekten. Laut Vandenbroucke können steuerfreie Nebenverdienste den Arbeitsmarkt verstören.

Kein Veto aber Kritik

Gegenüber der flämischen Tageszeitung De Morgen sagte der flämische Sozialist: „Dieser offene Brief ist kein Veto gegen die Schaffung eines Rahmens für ehrenamtliche Arbeit. Er beinhaltet jedoch kräftige Argumente, weshalb die vorliegende Regelung keine gute Idee ist. Hier wurde alles in einen Topf geworfen: Von Putzhilfen und kleinen Reparaturen über Kleinkindbetreuung und Pflege bis hin zu digitalen Plattformen. Jedes hat doch eigentlich seine Eigenheiten.“

Kleine Selbständige machten sich zurecht Sorgen über billigere Konkurrenz und gerade im Kinderbetreuung- und Pflegesektor sei Qualität wichtig, so Vandenbroucke.

Vorsichtige Zustimmung findet offenbar lediglich ein schon lange erwarteter gesetzlicher Rahmen für bisher umstrittene und als wettbewerbsverzerrende angesehene Unternehmen, wie dem Taxidienst Uber, den Fahrradkurierdienst Deliveroo oder andere Onlineplattformen, wie AirBnB. Gerade hier sehen die mit Ehrenamtlichen arbeitenden Sektoren allerdings die größte Konkurrenz, denn sie befürchten, dass bisher freiwillig tätige Mitbürger ihre Zeit mehr und mehr lukrativeren Zielen widmen.

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