Armutsbekämpfung: Blamiert sich die Regierung?

In den zehn Jahren des Kampfes gegen Armut hat es kaum Fortschritte gegeben. Noch immer sind 660.000 Flamen arm. Sowohl die flämische, als auch die belgische Regierung hatten Besserung gelobt. Doch das waren lose Versprechen, sagt Decenniumdoelen, ein Netzwerk sozialer Initiativen und Armutsorganisationen. Das gravierendste ist die Kinderarmut: Die hat sich nicht halbiert, wie beabsichtigt. Ganz im Gegenteil: Sie hat sich fast verdoppelt.

Schon vor zehn Jahren protestierten Armutsorganisationen und übten Druck auf die Politiker aus. Letztere sollten endlich ihre Versprechen halten, forderten die Organisationen.

Auch zehn Jahre später ist die Armut kaum zurückgegangen: Von 11,4 % auf 10,3%, das heißt, es gibt noch immer 660.000 arme Menschen und nur knapp 30.000 weniger.

"10 Jahre Armutsbekämpfung und nur 30.000 Arme weniger. Das ist unglaublich", kritisiert Michel Debruyne vom Netzwerk "Decenniumdoelen". Jos Geysels, ebenfalls von "Decenniumdoelen" fügt hinzu: "Wenn wir die 10 Jahre unter den verschiedenen Regierungen, der flämischen und föderalen und in verschiedenen Zusammensetzungen betrachten, sehen wir, dass die Zahl der Armen innerhalb von zehn Jahren eigentlich nicht zurückgegangen ist. Und die Kinderarmut in Flandern hat sich quasi verdoppelt."

Die Kinderarmut ist tatsächlich innerhalb von zehn Jahren von 7% auf 12% gestiegen. Das liegt daran, dass die Sozialhilfen nicht angepasst wurden. Außerdem kamen zwar Jobs hinzu, allerdings nicht unbedingt bei den Risikogruppen wie den schlecht ausgebildeten Personen, alleinerziehenden Müttern und Ausländern. In einer von 10 Familien arbeitet keiner der Familienmitglieder. Arbeitslose wohnen mit Arbeitslosen zusammen.

"Die Jobs gehen an reiche Familien, wo schon gearbeitet wird und nicht an Familien, in denen niemand arbeitet", so Michel Debruyne. "Eigentlich findet hier eine Art Polarisierung statt."

Der Unterricht soll helfen, die Kinder von Armen so auszubilden, dass sie Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Doch häufig gelingt das nicht. So hat die Zahl der Schüler zugenommen, die im Rechenunterricht und beim Lesen schlichtweg nicht mitkommen.

"Innerhalb von zehn Jahren ist die Zahl der Kinder, Jüngere von 15 Jahren, die kaum lesen, schreiben und rechnen können, um mehr als 4 Prozent gestiegen: Von ca. 12 Prozent auf 17 Prozent", so Michel Debruyne noch.

"Das ist eine enorm große Bremse der Zukunft. Das bedeutet, dass diese jungen Leute, wenn sie 18 Jahre alt sind und auf den Arbeitsmarkt strömen, schlecht ausgebildet sind. Sie fallen dann automatisch in die Armut."

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