Laurette Onkelinx verlässt politische Bühne

Die frankophone Sozialistin Laurette Onkelinx (PS - Foto) kündigte am Mittwoch im Rahmen einer emotionalen Pressekonferenz an, dass sie sich im Wahljahr 2019 aus der aktiven Politik zurückziehen werde. Mit Onkelinx verliert die belgische Politik eine streitbare Politikerin und das belgische Bundesparlament ein Monument. Freund und Feind zollten ihr am Mittwoch großen Respekt.

Mit Tränen in den Augen kündigte Laurette Onkelinx am späten Mittwochvormittag an, sich bis 2019 aus der aktiven Politik zurückzuziehen. Ihr Amt als Fraktionsvorsitzende der skandalgeschüttelten frankophonen Sozialisten PS gibt sie sogar per Direkt ab: „Ich drehe den Schalter um und mache Platz für die Jüngeren.“ Jetzt beginne der dritte Teil ihrer politischen Karriere, so Onkelinx, die noch zwei Dinge vor hat.

Sie will zum einen den „Laden“ ihrer Partei in Brüssel wieder auf die Beine stellen. Hier gab es im Zuge des sogenannten „Samusocial-Skandals“ in der ersten Jahreshälfte 2017 zu überhöhten Bezügen für Sitzungen, die zeitweise gar nicht erst stattfanden, Vorwürfe der Selbstbedienung aus Spenden- und Steuergeldern mit entsprechenden Rücktritten und Umfragetiefs, die bis jetzt anhalten.

Zum anderen wolle sie die anstehenden Wahlkämpfe auf kommunaler (2018) und regionaler (2019) Ebene als „militantes“ PS-Mitglied begleiten: „Ich verlasse nicht das sinkende Schiff!“ Sie selbst stellt sich nicht mehr zur Wahl und will auch kein Amt mehr nach 2019 übernehmen.

Politische Laufbahn und steiler Aufstieg

Laurette Onkelinx kam 1958 in der Industriestadt Ougrée bei Lüttich zur Welt und machte in der PS eine steile Karriere, die sie zu einem Monument der belgischen Bundespolitik werden ließ. Sie hat ihre familiären Wurzeln in der flämischen Provinz Limburg und ist die Tochter des sozialistischen Politikers und Gewerkschaftlers Gaston Onkelinx (kl. Foto), der nach dem Krieg nach Lüttich umgezogen war.

Laurette Onkelinx studierte Jura und wurde Anwältin, doch es zog sie in die Politik, wo sie für die PS eine steile Karriere hinlegte. 1987 wurde sie, noch keine 30 Jahre alt, in die Erste Kammer im belgischen Bundesparlament gewählt. 1992 wurde sie unter Premier Jean-Luc Dehaene (CVP/später CD&V) zum ersten Mal Ministerin und zwar für die Bereiche Gesundheit, soziale Integration und Umwelt. Doch schon 1993 wechselte sie in die Französischsprachige Gemeinschaft, wo sie das Amt der Ministerpräsidentin übernahm.

1999 zieht es sie wieder in die belgische Bundespolitik und in der ersten Regenbogenkoalition aus Liberalen, Sozialisten und Grünen unter Premier Guy Verhofstaft (Open VLD) wird Onkelinx Vizepremier und Ministerin für Arbeit und Chancengleichheit. Im gleichen Jahr heiratet sie den belgischen Topanwalt und Verfassungsfachmann Marc Uyttendaele. Die daraus entstehende enge Verbindung zwischen der PS und Uyttendaele wirft seit dem immer wieder Fragen auf…

Einflussreich

Laurette Onkelinx gehört spätestens seit der Jahrtausendwende zu den einflussreichsten Bundespolitikern in Belgien und sie bleibt rund 15 Jahre lang Vizepremierministerin - zunächst unter Verhofstadt und später auch unter Yves Leterme (CD&V), Herman Van Rompuy (CD&V) und Elio Di Rupo (PS). Mit ihm, der auch Parteichef der frankophonen Sozialisten ist, bildet Onkelinx ein mächtiges Duo in der Politik (Foto unten).

Zwischen 2003 und 2007 war sie Bundesjustizministerin und hier überlebte sie turbulente Zeiten. In dieser Zeit verschwand die PKK-Aktivistin Fehriye Erdal trotz Beobachtung durch den belgischen Geheimdienst vom Radar (bis heute übrigens) und es kam zu spektakulären Fluchten aus verschiedenen Gefängnissen. So konnte der Topgangster Murat Kaplan ebenso aus der Haftanstalt flüchten, wie auch 28 Häftlinge aus dem Gefängnis von Dendermonde. Danach wurde sie für die Dauer von sieben Jahren Sozial- und Gesundheitsministerin und zu ihrem Aufgabengebiet gehörte die Finanzierung der sozialen Sicherheit.

Im Laufe ihrer Karriere wechselte sie auch ihren Wahlkreisen. 2001 verließ sie ihre Heimat Lüttich, um sich im Brüsseler Stadtteil Schaarbeek niederzulassen und 2013 zog sie in den Vorstand der Brüsseler PS-Abteilung.

„Laurette Mitraillette“

2014 läuteten für die PS zum ersten Mal „seit Menschengedenken“ die Oppositionsglocken und die Mitte-Rechts-Regierung von Premier Charles Michel (MR) aus Liberalen, flämischen Nationaldemokraten und Christdemokraten übernimmt die Geschicke. Laurette Onkelinx wird PS-Fraktionsvorsitzende und als Oppositionsführerin greift sie die regionalistischen flämischen Nationaldemokraten der N-VA oftmals vehement an, was ihr den wenig schmeichelhaften Spitznahmen „Laurette Mitraillette“ („Laurette Maschinengewehr“) einbrachte.

Für die PS brachen unterdessen schwere Zeiten an. Skandale reihten sich aneinander und die linksradikale Arbeiterpartei PTB nimmt den Sozialisten Stimme nach Stimme ab, wie Umfrageergebnisse seit Monaten belegen. Zweifellos hat die Skandalkrise bei ihrer Partei eine Rolle in der Entscheidung gespielt, dass sich Laurette Onkelinx in absehbarer Zeit aus dem politischen Geschehen zurückziehen wird. Aus ihrer PS-Generation bleibt jetzt nur noch Parteichef Elio Di Rupo übrig, doch dessen Verfallsdatum läuft wohl auch langsam ab…

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