Wer spielt welche Rolle im Eier/Fipronil-Skandal?

Die Ermittlungen in diesem Lebensmittelskandal konzentrieren sich auf zwei Unternehmen, von denen eines seinen Sitz in Belgien und ein weiteres in den Niederlanden hat. Im Kreuzfeuer der Kritik steht aber auch die belgische Bundesbehörde für Lebensmittelsicherheit, FAVV.
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Poultry-Vision

Eine der Hauptrollen in diesem Fall spielt Poultry-Vision, ein Unternehmen aus Weelde im Kempenland in der flämischen Provinz Antwerpen. Dieses Unternehmen profiliert sich als Lieferant für den Sektor Geflügelzucht. Im Angebot stehen Futtermittel, spezialisierte Arbeitskleidung und auch Reinigungsmittel, die auf diesen Bereich zugeschnitten sind, wie z.B. ein Mittel gegen Blutläuse, ein Ungeziefer, dass diesen Sektor und sein Federvieh regelmäßig heimsucht.

Poultry-Vision warb (und wirbt noch) mit einem „Wundermittel“ gegen diese Blutläuse, doch ersten Ermittlungen der Antwerpener Staatsanwaltschaft zufolge, vermischte das Unternehmen in sein Reinigungsmittel auch illegale Stoffe. Im Klartext: Dem legalen Desinfektionsmittel Dega-16 wurde das im Geflügelsektor streng verbotene chemische Insektizid Fipronil beigemischt.

Zwar will Patrick R., der Geschäftsführer von Poultry-Vision nichts von dementsprechenden Betrug wissen, doch eine Rechnung in seiner Buchhaltung vom 8. Mai 2016 belegt den Ankauf von tausenden Litern Fipronil bei einem Unternehmen in Rumänien. Hinzu kommt noch, dass in einer Lagerhalle von Poultry-Vision im belgisch-niederländischen Grenzort Baarle-Hertog große Mengen Fipronil entdeckt wurden.

ChickFriend

ChickFriend ist ein niederländisches Unternehmen aus Baarneveld in der Provinz Gelderland. Diese Firma ist ein Dienstleistungsunternehmen, dass sich auf Reinigung und Insektenvernichtung im Bereich Geflügelzucht spezialisiert hat. ChickFriend war ein Großabnehmer von Produkten von Poultry-Vision, doch die dort analysierten Rechnungen betreffen weder Dega-16, noch Fipronil, sondern ein Mittel mit der Bezeichnung „fypro-rein“. Dieses Produkt aber existiert nicht auf dem offiziellen Markt.

Die niederländischen Ermittler vermuten, dass es sich hierbei um eine Mischung von Dega-16 und Fipronil handelt, dem ChickFriend Eukalyptus und Menthol beifügte, um die Hühnerställe und Legebatterien sauber und frisch riechen zu lassen. Die Geschäftsinhaber Martin van de B. und Mathijs IJ. von ChickFriend haben ihre Mischung Geflügelzuchten in Belgien und in den Niederlanden als „Supermittel“ angeboten, dessen Anwendung ein halbes Jahr Erfolg garantieren soll.

Doch aus Konkurrenzgründen wollten sie die Bestandteile ihres Produkts nicht veröffentlichen. Die beiden Geschäftsinhaber von ChickFriend sind übrigens von Erdboden verschwunden. Unter ihrer Telefonnummer sagt die Stimme des Anrufbeantworters: „Aus geschäftlichen Umständen können wir derzeit nicht mit ihnen sprechen…“

Die belgische Lebensmittelbehörde FAVV

„Die belgischen Eier sind sicher“, sagte FAVV-Direktor Herman Dirickx noch vor einigen Tagen, doch jetzt wurde bekannt, dass auch Lieferungen aus unserem Land erhöhte Fipronil-Werte aufweisen, die über dem zulässigen EU-Wert liegen. Zudem wurde deutlich, dass sich die Ergebnisse einer FAVV-Analyse und einer Gegenexpertise deutlich unterscheiden, trotz der Tatsache, dass es sich um Eier aus einer bestimmten Charge handelt.

Die belgische Bundesbehörde für Lebensmittelsicherheit FAVV (Federale Agentschap voor Voedselveiligheid) wurde 1999 nach der Dioxinkrise gegründet und wacht über die Qualität unseres Essens, in dem sie u.a. die Nahrungsmittelkette kontrolliert. Bisher genoss diese Behörde eigentlich einen guten Ruf, doch spätestens diese Fipronil-Krise lässt ein anderes Licht auf dieses Amt scheinen.

Erste Untersuchungen zu Fipronil in Eiern wurden bereits Mitte Mai in Angriff genommen und seit Anfang Juni wusste die FAVV, dass ein Problem vorliegt. In aller Stille wurde analysiert und untersucht und erst am 20. Juli teilte die Lebensmittelbehörde den anderen EU-Mitgliedsländern über das europäische Warnsystem RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed) mit, dass verbotene chemische Stoffe in Eiern gefunden wurden.

Dass die FAVV erst so spät reagierte und kommunizierte, wurde und wird national und international scharf kritisiert und auch die Politik stellt sich hierzulande Fragen, genauso, wie die Verbraucherschutzverbände. Inzwischen wurde auch immer deutlicher, dass die Behörde der Industrie zu viel Raum zur Selbstkontrolle bietet. Dies kritisieren kleinere Lebensmittelhersteller, die z.B. Traditionsprodukte herstellen, denn hier tritt die FAVV streng auf, wenn sie der Ansicht ist, dass die Verbraucher „geschützt“ werden müssen.

Das war in der jüngsten Vergangenheit der Fall beim typisch ostbelgischen Reisfladen, bei handwerklich hergestelltem Käse aus Wallonien oder bei regionalen und nach alter Tradition gebrauten Bieren in der Brüsseler Region. Kritisch betrachtet wird mittlerweile auch die Tatsache, dass Piet Vanthemsche, der erste Leiter der FAVV, heute CEO des Bauernbundes ist.

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