Fluglärm über Brüssel: Institutionelle Atombombe

Flanderns Ministerpräsident Geert Bourgeois (N-VA) nannte die Verschärfung des zulässigen Geräuschpegels in Sachen Fluglärm über der belgischen Hauptstadt durch die Region Brüssel-Hauptstadt eine “institutionelle Atombombe”, bei der sie Suche nach einer Lösung sehr schwierig werden würde. Der Streit droht zu eskalieren, auch wenn Brüssel gerade einen Gang heruntergeschaltet hat.

Seit Dienstag um Mitternacht gilt über Brüssel eine strengere Geräuschnorm für Nachtflüge vom und zum Nationalflughafen in Zaventem (65 Dezibel zwischen 23 Uhr abends und 7 Uhr morgens bzw. 90 Dezibel am Tage). Das bedeutet, dass Brüssel Bußgeldbescheide ausschreibt, die Bußgelder an sich jedoch in den kommenden beiden Monaten noch nicht einfordern wird. Dies kündigte Brüssels regionale Umweltministerin Céline Fremault (CDH - kl. Foto) jetzt an.

Trotzdem sieht es weiter nach einem Konflikt zwischen der Region Brüssel-Hauptstadt und dem belgischen Bundesland Flandern aus. Flandern leitete ein Verfahren zu einem Interessenskonflikt ein. Das ist ein Werkzeug, um Konflikte zwischen den einzelnen Ländern und Regionen in Belgien zu entschärfen, denn dieses Mittel sorgt für einen zweimonatigen Aufschub von Maßnehmen einer Region, zum Nachteil einer anderen Region.

Das ist hier der Fall. Wenn Brüssel an der strengen Fluglärmnorm festhält, dann müssen zum einen deutlich mehr Flugzeuge bei Starts und Landungen über Flandern fliegen. Und der belgische Nationalflughafen in Zaventem (Flämisch-Brabant) ist für Flandern (und nicht nur für dieses Bundesland), ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber.

Bei anhaltend hohen Bußgeldern wollen mehrere in Zaventem aktive Airlines, sowohl Charterfluggesellschaften, als auch Cargo-Fluglinien, den Standort Brüssel verlassen, was bis zu 60.000 Jobs direkt oder indirekt in Gefahr bringen könnte.

Wohl auch aus diesem Grunde nannte Flanderns Landeschef Bourgeois (kl. Foto) die Vorgehensweise am Dienstag in der VRT-Sendung „Terzake“ („Zur Sache“) eine “institutionelle Atombombe”, die das Verhältnis zwischen beiden Regionen erheblich belasten würde. Von dem Problem ist auch die belgische Bundesregierung betroffen, denn das Thema Luftverkehr, Beschäftigung und Lärmschutz betrifft auch die föderale Ebene - nicht nur als Mittler zwischen den sich streitenden Regionen.

Airlines zahlen nicht

Die Fluggesellschaft TUI Fly, die frühere belgische Gesellschaft Jetairfly, hat in den vergangenen 10 Jahren Bußgelder wegen Verstoßes gegen die regionale Brüsseler Fluglärmregelung zwischen 2,5 und 3 Mio. € erhalten, diese jedoch nie bezahlt. TUI Fly geht gegen diese Bußgelder seit Jahren juristisch vor.

Der irische Billigflieger Ryanair hat zwischen dem 6. und dem 14. Februar Pegelmessungen durchgeführt und festgestellt, dass dabei 23 von 50 Nachtflügen gegen die Brüsseler Norm von 65 Dezibel verstoßen hatten. Aus diesen eigenen Erhebungen errechnet Ryanair, dass rund 26 % aller Nachtflüge am Brussels Airport Bußgeldbescheiden nach sich ziehen würden. Ryanair wird jetzt versuchen, alle frühen Starts und Landungen auf später als 7 Uhr morgens zu verlegen.

Die Bußgelder liegen zwischen 650 € pro Flug und 65.000 € pro Woche.

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