Kommunalpolitiker tritt nach Publipart-Affaire ab

Tom Balthazar (Foto), Gents Schöffe für Stadtentwicklung, nimmt infolge der Publipart-Affäre sowohl von seinem Amt Abstand, als auch von seiner Kandidatur für das Bürgermeisteramt für das Kartell SP.A/Groen. Seine Partei, die flämischen Sozialisten SP.A, akzeptierte diesen Schritt, doch Bürgermeister Daniël Termont war schockiert.

„Ich trete nicht zurück, weil ich einen ernsthaften Fehler gemacht habe oder weil ich Schuld bekenne, sondern weil ich die Zukunft einer progressiven Stadt Gent nicht wegen monatelangen Diskussionen um Skandale und Vergütungen lähmen will“, ließ der flämische Sozialist Tom Balthazar am Samstag in einer Pressemitteilung wissen.

Die AG Publipart zahlte ihren Verwaltern, zu denen auch Balthazar gehörte, pro Jahr insgesamt etwa 360.000 €. Publipart ist ein Tochterunternehmen des Kommunalverbandes Publilec. Beide Gremien sind im Energiebereich aktiv: Publilec über den Energieproduzenten Luminus und Publipart über Stromnetzbetreiber Elia.

Als die Publipart-Affäre am Samstag in die Schlagzeilen geriet (siehe nebenstehenden Beitrag) standen die beiden im Verwaltungsrat der Interkommunalen Vertretenen Genter Stadträte Balthazar und Cristophe Peeters von den flämischen Liberalen Open VLD unter massivem Druck, sowohl von Seiten der Opposition, als auch aus Richtung der Koalitionspartner bzw. des SP.A-Kartellpartners Groen. Daraus zog Balthazar noch am gleichen Tag seine Konsequenzen.

Für den nächsten Kommunalwahlkampf in Gent bedeutet der Rücktritt Balthazars als Spitzenkandidat des Kartells aus Sozialisten und Grünen (SP.A/Groen) für das Amt des Bürgermeisters ein Rückschlag.

Völlig fertig

Das der Wunschnachfolger von Amtsinhaber Daniël Termont so abtritt, raubt letzterem den Atem. Gegenüber der VRT-Nachrichtenredaktion sagte Termont, er sei völlig fertig: „Ich bedauere das sehr, andererseits aber habe ich wohl größten Respekt vor ihm. Ich finde es trotzdem besonders schade, weil wir auf diesem Wege einen unserer stärksten Schöffen und den zukünftigen Spitzenkandidaten verlieren. Letztendlich übernahm Tom seine Verantwortung, weil er sagt, ohne Vertrauen gelingt uns das nicht für die Zukunft.“

Peeters bleibt im Amt - Opposition fordert U-Ausschuss

Inzwischen geben die flämischen Liberalen (Open VLD - kl. Foto) im Stadtrat von Gent zu verstehen, dass Finanzschöffe Christophe Peeters nicht von seinem Amt zurücktreten werde. Peeters saß neben Peeters ebenfalls im Verwaltungsrat von Publipart.

Allerdings verzichtete er darauf, an diesem Sonntag mit einer Wirtschaftsdelegation aus seiner Stadt nach New York und Boston zu reisen. Hier sollte gemeinsam mit rund 50 Firmenchefs aus der Stadt Werbung für Gent als Industrie- und Wirtschaftsstandort gemacht werden. Auch Bürgermeister Termont zog es vor, wegen der Affäre in seiner Stadt zu bleiben.

Siegfried Bracke, Fraktionschef der flämischen Nationaldemokraten N-VA im Genter Rathaus (und Vorsitzender der Ersten Kammer in belgischen Bundesparlament), fordert eine sofortige Sondersitzung des Gemeinderates zur Affäre Publipart und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Dieser Forderung schlossen sich die Christdemokraten CD&V und der rechtsradikale Vlaams Belang am Sonntag an.

Nicolas Maeterlinck

Rücktritt auch auf Lütticher Provinzebene

Die Vergütungsaffäre bei der wallonischen Interkommunalen Publifin, die bereits Ministerrücktritte zur Folge hatte, räumt jetzt ein weiterer Spitzenfunktionär seinen Posten. Der Vizepräsident des Rates der Provinz Lüttich, der frankophone Liberale Georges Pire (MR), überraschte Freund und Feind mit seinem Rücktritt.

Pire war 35 Jahre lang in der Provinz Lüttich aktiv und kam aus der Publifin-Affäre mit ihren hoffnungslos überzogenen Vergütungen für Verwalter nicht gerade schadlos heraus. Pire steht bereits seit Jahren unter Beschuss, denn er bezieht Sitzungsgelder aus insgesamt 17 Verwaltungsratsposten. Darunter sind auch die jetzt ähnlich angeschossenen Räte in Flandern Publilec und Publipart…

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