In Belgien ist gemeinsames Sorgerecht bei Scheidung inzwischen die Norm

Das gemeinsame Sorgerecht oder das Wochenwechselmodell bei einer Scheidung ist in Belgien inzwischen die Regel. Mehr noch, bei Scheidungen, bei denen sich keine Einigung abzeichnet, wird diese Betreuungslösung zumeist auferlegt. Doch stets mehr Experten sind davon überzeugt, dass eine solche Regelung nicht unbedingt immer die beste Lösung für die Kinder ist.
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In mehr als der Hälfte der Scheidungsfälle entscheiden sich die ehemaligen Partner für ein gemeinsames Sorgerecht. Meistens funktioniert diese Betreuungslösung gut.

Natürlich litten bei einer Scheidung immer noch die Kinder ganz besonders, da es die Kinder seien, die den Wohnort wechseln müssten. Doch eine ideale Lösung gebe es einfach nicht, so eine geschiedene Mutter.

Das Wochenwechselmodell ist oft die Folge bitterer Diskussionen. Immer mehr Eltern sehen das als ein Recht an. Ob das im Interesse der Kinder jedoch wirklich ideal sei, fragt sich eine andere geschiedene Mutter: "Man gehe hier automatisch davon aus, aber ich denke nicht dass 50/50 optimal ist."

Die Erzwingung eines Wochenwechselsystems ist also nicht immer die beste Lösung, sagen auch Experten. "Dass die Kinder weiterhin Zugang zu beiden Eltern haben, finden sie sehr wichtig", betont Sofie Van Assche vom Zentrum für soziologische Studien der KU Löwen. "Doch muss es halbe-halbe sein? Unsere Ergebnisse zeigen, dass man ein gutes Verhältnis zum Kind haben kann, auch wenn man sich weniger sieht."

"Man sollte eine Zeit lang zusammenwohnen, aber muss das unbedingt 50/50 sein? Wir denken das nicht."

Ein bisschen Flexibilität ist wichtig, vor allem, wenn es im Interesse der Kinder ist. "Früher war ich eine Woche bei meiner Mama und eine bei meinem Papa. Doch dann haben wir uns zusammengesetzt und jetzt bin ich eine halbe Woche bei Mama und die andere halbe Woche bei Papa und das ist viel besser", erzählt Laia. 

"Ich würde die 50/50-Regel auch nicht als absoluten Maßstab sehen. Wenn die Kinder damit einverstanden sind, kann man vielleicht auch eine andere Lösung finden. Was nicht heißt, dass es für den, der das Kind weniger sieht, sehr schwierig ist", bezeugt ein geschiedener Vater.

Außerdem kann der Elternteil, der die Kinder etwas weniger hat, finanzielle Nachteile erleiden. Das soll sich ändern. "Der Partner, der die Kinder zum Beispiel zu 60 Prozent betreut, könnte sagen, dass er sich mehr um die Kinder kümmere. Und der Wohnsitz hängt wiederum mit allerlei gesellschaftlichen Vorteilen, finanziellen Hilfsleistungen und Beiträgen zusammen. Hier müssen wir über mögliche andere Lösungen nachdenken", so Van Assche noch.

Eine weitere Lösung, die in Belgien stets mehr genutzt wird, ist diejenige, die Kinder am ehemaligen gemeinsamen Wohnort zu belassen und als Elternteil abwechselnd zu den Kindern zu ziehen. Dieses Modell wird manchmal in den ersten Jahren nach der Scheidung und bei Familien mit mehreren Kindern bevorzugt.

Die häufigste Betreuungslösung in Deutschland ist übrigens noch immer das Residenzmodell. Dabei leben die Kleinen hauptsächlich bei einem Elternteil – in 90 Prozent der Fälle bei der Mutter – und der Vater holt die Kinder nur gelegentlich zu sich. In der Regel ist das jedes zweite Wochenende und für die Hälfte der Ferien.

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