Nach über 25 Jahren: Neuer Prozess im Mordfall Cools

Wegen eines Formfehlers und aufgrund eines Urteils des Europäischen Menschenrechtshofs muss das Verfahren um den 26 Jahre alten Mord an dem Lütticher Politiker André Cools (Foto) erneut aufgerollt werden. Zwei der damals Verdächtigen stehen jetzt erneut vor einem Schwurgericht, weil die beiden bisher gefällten Urteile gegen sie nicht juristisch korrekt motiviert, sprich begründet wurden.

In Namür in der gleichnamigen Provinz ist am Montag ein drittes Schwurgerichtsverfahren gegen die beiden Verdächtigen im Mordfall André Cools eröffnet worden. Cools, der "Pate von Lüttich", war im Sommer 1991 in seiner Heimatstadt auf offener Straße erschossen worden. Die Hintergründe für diese Tat, bzw. für diesen politischen Mord, wurden nie aufgedeckt.

Bei einem ersten Verfahren im Jahr 2004 wurden sechs Verdächtige zu langen Haftstrafen verurteilt, doch zwei von ihnen, Richard Taxquet und Domenico Castellino, stehen jetzt wieder vor Gericht. Beide wurden seinerzeit zu jeweils 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Castellino, der sich damals noch auf der Flucht befand, wurde in Abwesenheit verurteilt. Er wurde in einem zweiten Verfahren wieder zu 20 Jahren Haft verurteilt, doch er und Taxquet gingen in Berufung, denn sie führen an, keinen ehrlichen Prozess bekommen zu haben. Sie begründen dies mit der Tatsache, dass das Schwurgericht die Urteile gegen die Verdächtigen im Cools-Verfahren nicht motiviert hatten.

Damit bekamen sie vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht und so muss das Verfahren gegen die beiden Angeklagten rund ein Vierteljahrhundert nach den Fakten wieder aufgerollt werden. Da in einem solchen Verfahren die bereits urteilenden Gerichtsbezirke oder Staatsanwaltschaften (Lüttich und Provinz Luxemburg) nicht mehr aktiv werden dürfen, findet dieser dritte Cools-Prozess jetzt in Namür statt.

Der Fall Cools

Am 18. Juli 1991 wurde der wallonische Sozialist André Cools, ehemaliger Minister in regionalen und föderalen Regierungen, in Lüttich im Ortsteil Cointe auf offener Straße erschossen. Seine damalige Lebensgefährtin wurde bei dem Mordanschlag schwer verletzt.

Cools war Haushaltsminister und Vize-Premierminister in verschiedenen belgischen Bundesregierungen, Vorsitzender der frankophonen sozialistischen Partei (PS), Präsident des Wallonischen Regionalrates und Regionalminister in der Wallonischen Region, bevor er sich im April 1991, kurz vor seiner Ermordung, politisch zurückzog, um sich auf seine Heimatgemeinde Flémalle bei Lüttich wirtschaftlich und kommunalpolitisch zu konzentrieren. Cools war in einer politisch aktiven Arbeiterfamilie groß geworden und er war zeitlebens politisch sehr aktiv. Im Laufe seiner Karriere hatte sich viele Freunde machen können, aber er machte sich auch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene auch Feinde.

Dass sich die Ermittlungen zu seinem Mordfall über zwölf Jahre hinziehen würden, ahnte eigentlich niemand. Fünf Jahre lang dauerte es alleine, die beiden tunesischen Auftragsmörder zu fassen, die André Cools getötet haben. Ihre Auftragsgeber ausfindig zu machen, gestaltete sich noch viel schwieriger. Hauptverdächtiger war nach langen Ermittlungen Alain Van der Biest, ein André Cools eigentlich sehr nahestehender ehemaliger Regionalminister und PS-Parteifreund des Getöteten. Ein Jahr nach dem Mord wurde die parlamentarische Immunität Van der Biests aufgehoben, um gegen ihn wurde ermitteln zu können.

Zudem gab es im Fall Cools einen „Krieg der Gerichte" zwischen der Staatsanwaltschaft Lüttich und der Staatsanwaltschaft Luxemburg. Beide Häuser beschuldigten sich gegenseitig, jeweils Informationen an die Presse weiterzugeben. Erschwerend kam hinzu, dass sich die beiden Gerichte nicht mehr gegenseitig über ihren Ermittlungsstand informierten und sich sogar gegenseitig ermittlungstechnische Erkenntnisse vorenthielten.

Die im Prozess aufgedeckten Skandale, unter anderem der Korruptionsfall um die Anschaffung von Augusta-Hubschraubern für Polizei und Armee in Belgien, über den der damalige Nato-Generalsekretär Willy Claes (von den flämischen Sozialisten SP, heute SP.A) stolperte und der Bestechungsskandal um die staatliche Versicherungsgesellschaft SMAP, konnten nie mit dem Mord an Andrée Cools in Zusammenhang gebracht werden.

Einem anonymer Zeuger zeigte 1996 acht Mitverantwortliche für den Mord an. Das waren neben Alain Van der Biest die weiteren späteren Verdächtigen Carlo Todarello, Richard Taxquet, Pino di Mauro, Cosimo Solazzo, Luigi Contrino, Silvio di Benedictis, Mauro di Santis und Dominico Castellino. Am 17. März 2002, kurz vor Beginn des ersten Cools-Prozesses, nahm sich Alain Van der Biest das Leben. Seine Mitschuld in diesem politischen Mordfall ist bis heute nicht bewiesen.

Und jetzt?

Während des Prozesses wurden die acht übriggebliebenen Angeklagten zu Haftstrafen von fünf bis zwanzig Jahren verurteilt. Richard Taxquet wurde als vermeintlicher Organisator des Mordes zu zwanzig Jahre Haft verurteilt. Die meisten der Verurteilten sind heute wieder frei. Cosimo Solazzo konnte als einziger der Angeklagten bis heute nicht gefasst werden. Und die wahren Hintergründe für die Ermordung von André Cools bleiben bis heute, rund ein Vierteljahrhundert später, unklar. Ob dieser neue Prozess etwas daran ändern wird, sei dahingestellt.

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