Belgischer Premier beruhigt Bundeskanzlerin

Die neue belgische Regierung habe sich zur Durchsetzung struktureller Wirtschaftsreformen entschieden und werde in den nächsten fünf Jahren keine Energie darauf verwenden, eine weitere Staatsreform anzuregen. Belgien sei ein stabiles Land, versicherte Premier Charles Michel der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Die beiden hatten sich vor einigen Wochen bereits zu Gedenkfeiern in Ypern getroffen. An diesem Freitag hat Michel nun seinen Antrittsbesuch in Berlin gemacht. Er bleibt einen Tag in der deutschen Hauptstadt und kehrt am Abend nach Brüssel zurück.

Angela Merkel soll ein reges Interesse an der politischen Situation in Belgien gezeigt haben. Sorgen machte sie sich offenbar über die Stabilität der Regierungskoalition. Belgien hat seit diesem Sommer eine mitte-rechts Koalition aus der französischsprachigen liberalen Partei MR und auf flämischer Seite den Regionalisten N-VA, den Christdemokraten CD&V und den Liberalen Open VLD.

Über die N-VA ist bekannt, dass die Partei langfristig eine weitere Staatsreform anstrebt und eine Konföderation in Belgien zum Ziel hat. Dies, so interpretieren Beobachter, könnte dann eine Vorstufe für eine Trennung des Landes sein. Aber auch die N-VA betont immer wieder, dass eine weitere Staatsreform in den kommenden 5 Jahren nicht zur Debatte stehe und, dass jetzt erst einmal die 6. Staatsreform umgesetzt werden müsse.

"Wir stecken all unsere Energie in die Stärkung unserer Wirtschaft", betonte deshalb auch Michel (MR) am Freitag in Berlin.

Die einschneidenden Wirtschaftsreformen würden nicht auf Kosten des sozialen Zusammenhalts erfolgen. "Belgien ist eine offene Wirtschaft, die stark mit der wirtschaftlichen und sozialen Situation in Deutschland verwoben ist", betonte Michel in der Pressekonferenz nach dem Treffen mit der Bundeskanzlerin.

Die Bundeskanzlerin wünschte der belgischen Regierung wiederum viel Kraft, um die anstehenden Reformen auch umzusetzen. Auf konkrete belgische Diskussionspunkte wie den Indexsprung wollte die Kanzlerin vor laufenden Kameras nicht eingehen. Merkel und Michel sind sich einig, dass beide Länder wichtige Wirtschaftspartner sind.

Konkret sprachen die beiden Regierungschefs übrigens über die Rentenreformen und den Arbeitsmarkt in Belgien.

Entgegen der Erwartungen kam auch das Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, zur Sprache. Über dieses Abkommen verhandelt die EU derzeit. "Wichtig ist, dass es hierbei zu keinen Missverständnissen kommt", so Michel.

Daneben wurde zudem über den Investitionsplan der neuen EU-Kommission, der nächste Woche näher ausgeführt werden soll, gesprochen. Belgien und Deutschland sind sich einig, das die Priorität bei der Auflistung der Projekte, die die europäische Unterstützung verdienten, in der Schaffung von Arbeitsplätzen liegen müsse.

Michel besuchte in Berlin auch noch das Museum an der berühmten Bernauer Strasse, das heißt er besuchte die Gedenkstätte Berliner Mauer. Das Museum zeigt in dokumentarischer Form die Geschichte Berlins vom Bau bis zum Fall der Mauer. Vor genau 25 Jahren war der Fall der Mauer. "Ich war damals 13 Jahre alt, als das passierte und begriff sofort, dass das etwas sehr Wichtiges war", so Michel. "Es war ein Sieg der Grundrechte und Grundfreiheiten."

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