Der EU-Kommissarin eine Frage stellen

Im Rahmen des Europäischen Jahres der BürgerInnen hat die Vizepräsidentin der EU-Kommission und EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, Viviane Reding, am Samstagnachmittag im Kulturzentrum "La Tentation" in Brüssel Ihre Fragen zur Wirtschaftskrise, zu Ihren Bürgerrechten und zur Zukunft der Union beantwortet. Geredet hat zu Anfang auch der Ministerpräsident von Brüssel, Charles Picqué, der gerade erst verkündet hat, dass er sein Amt als Ministerpräsident abtrete.

Ein kurzer Werbefilm über Europa sollte die Besucher auf die Debatte ein- und vielleicht auch positiv stimmen. Das war jedoch eigentlich gar nicht nötig, wie sich im Laufe der Debatte immer wieder zeigte, denn viele Menschen in Brüssel sind sowieso überzeugte Europäer. Das bewiesen sie noch einmal bei den immer wieder in die Debatte eingeschobenen Abstimmungen zum Beispiel darüber, ob man sich in Europa als Land solidarisch mit anderen Ländern, die in Schwierigkeiten sind, zeigen sollte oder ob man 2014 seine Stimme in Europa hören lassen wolle, indem man wählen gehe. Bei beiden Abstimmungen haben weit über drei Viertel der Anwesenden mit Ja geantwortet.

Diese Abstimmung, bemerkte auch der niederländischsprachige Moderator und VRT-Europakorrespondent Rob Heirbaut, sei wohl kaum repräsentativ.

Trotzdem wurden natürlich auch bei dieser Debatte – es war die dritte in unserem Land nach der Debatte mit EU-Kommissar Karel De Gucht in Gent und EU-Kommissar Johannes Hahn in Eupen – wieder kritische Fragen gestellt. Wie könne man denn von Solidarität sprechen, wenn es auf europäischer Ebene keinen Wirtschaftsplan und auch keinen Investitionsplan gebe, wollte jemand aus dem Publikum wissen. Eine andere Person fragte, ob wir nicht viel solidarischer wären, wenn alle Länder die gleichen Steuern zahlten.

Die Besteuerung falle in den nationalen Entscheidungsbereich. Sobald der EU-Vertrag reformiert werde, würde man jedoch versuchen, die Steuern zu einem Gemeinschaftsthema zu machen, lautete die Antwort.

Auf die Frage, ob man dem zustimme, dass Europa gestärkt aus dieser Krise hervorgehe, antwortete immerhin 57 Prozent des anwesenden Publikums mit Ja. Die EU-Kommissarin bedankte sich für so viel Vertrauen in die EU und sagte: “Wir korrigieren jetzt Fehler aus der Vergangenheit. Die Bankenregulierung ist eine dieser Korrekturen.“ Sie betonte auch noch, dass Investitionen gemacht werden müssten, um die Zukunft unserer Kinder zu garantieren.

Die Bürgerrechte waren ebenfalls Thema der Debatte. Ein Belgier wollte wissen, was Europa tun könne, damit sich in Belgien auch arme Menschen künftig noch einen Anwalt nehmen könnten, um vor Gericht zu ziehen. Gerade sei nämlich hierzulande beschlossen worden, dass das System reformiert werde und Menschen mit geringem Einkommen eine Eigenbeteiligung bei den Anwaltskosten zahlen müssten (siehe auch Artikel „Künftig Eigenbeteiligung bei Anwaltskosten“ unter: http://www.deredactie.be/cm/vrtnieuws.deutsch/nachrichten/130503_Anwalt_bezahlen).

Jeder habe das Recht, sich einen Anwalt zu nehmen, so Reding zu diesem Thema, aber das Bezahlsystem sei Sache der Mitgliedsländer. Hier müssten Lösungen gefunden werden, räumte sie ein.

Auf die Frage einer Frau, warum in Belgien, im Herzen Europas, Gerichtsverfahren so viel Zeit in Anspruch nehmen würden - Man sollte doch endlich damit anfangen, Deadlines zu respektieren, konterte die EU-Kommissarin mit der Bemerkung: „Es stimmt, dass in einigen Ländern die Justiz nicht so gut arbeitet. Belgien liegt jedoch im europäischen Durchschnitt.“ In anderen Ländern wie Portugal, Zypern oder Italien sei das schlimmer. Auch sie wolle, dass die Regierungen begriffen, dass wir nicht so weitermachen könnten. Wenn die Justiz in einem Land nicht funktioniere, würden die Leute dort auch nicht investieren und würde die Wirtschaftsentwicklung nicht vorankommen.

Im Laufe der Debatte betonte Reding noch einmal, wie wichtig solche Diskussionen mit den Bürgern für die Zukunft seien.

Die Abstimmung gleich zu Anfang der Gespräche darüber, ob die Bürger das Gefühl hätten, dass ihre Stimme in Europa gehört werde, fiel nämlich im Vergleich zu den anderen Votes an diesem Nachmittag im Kulturzentrum in Brüssel nicht so gut aus: Nur 36 Prozent der Besucher stimmte bei dieser Frage mit Ja – Das entspreche etwa dem europäischen Durchschnitt, heißt es.

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