"Die belgische Armee geht den Bach runter"

Mehrere hohe Offiziere der belgischen Armee haben in einem internen Bericht den heutigen Zustand des Militärs hierzulande scharf kritisiert. "Die Fundamente der Armeeführung wackelten, heißt es. Außerdem ist die Rede von einer "politischen Verwahrlosung auf Kosten der Zukunft des Militärs.

Der Bericht, in den unsere Redaktion einsehen konnte, zieht Bilanz: Wo steht die Armee heute und wie ist ihre langfristige Entwicklung einzuschätzen. Es ist ein internes Audit-Papier, das ranghohe Offiziere innerhalb der Armee geschrieben haben.

Die Offiziere basieren sich auf Zahlen, die ein düsteres Bild des Militärs wiedergeben. Die Fundamente seien am Bröckeln, heißt es scharf. Es wird von strukturellen Problemen im Bereich des Personals, Materials, des Budgets und der Politik  gesprochen.

Was das Personal betrifft, so befinde man sich in einem "freien Fall". Derzeit fehlten 2.000 Soldaten. Bis Ende 2014 werde diese Zahl auf 3.000 ansteigen. Den Kampfeinheiten fehlten Leute und der Mangel sei schon bald nicht mehr einzuholen, steht in dem Bericht. Das Durchschnittsalter liegt außerdem 10 Jahre höher als in unseren Nachbarländern, weil die Hälfte der jungen Rekruten nach 2 Jahren die Armee wieder verläßt.

Die Lage der Ausrüstung sei noch katastrophaler. "Die Lebensdauer des Materials wird häufig mit Spucke, Kleber und Bastelei verlängert. Die Folge ist, dass bestimmte Einheiten der Landstreitkräfte bezüglich ihrer Waffen auf den Stand zu Zeiten des Koreakrieges von vor 50 Jahren zurückgefallen sind."

Als Grund für das Disaster nennt der Bericht fehlende Finanzmittel. Dadurch würden unentbehrliche Ankäufe auf Eis gelegt. Wenn dann neue Ankäufe erfolgten, kaufe man nicht das passende Material, zum Beispiel die neuen Hubschrauber, die die Sea Kings ersetzen sollen. "Diese zu search and rescue-Zwecken an unserer Küste einzusetzen, ist das gleiche, wie mit einem Rolls Royce zum Krämerladen um die Ecke zu fahren."

Die Offiziere schreiben weiter, dass das nötige Geld wohl niemals investiert werde. "Die Schrumpfung der Armee kann nicht mehr aufgehalten werden, der Point of no return ist schon seit einer Weile überschritten." Was die Offiziere nun vor allem wollen, ist eine deutliche und fundierte Sicht auf das, was noch möglich ist. Dass noch mehr Kasernen geschlossenen werden, scheint dem Bericht zufolge unvermeidbar.

Es müsse etwas unternommen werden, heißt es weiter. Innerhalb eines gewissen Spielraumes herumpfuschen oder an bestehenden Strukturen und Prozessen herumzudoktern, reiche nicht mehr aus. Wenn man nichts unternehme, mache man sich des Versäumnisses hinsichtlich der belgischen Bevölkerung und hinsichtlich der vielen Männer und Frauen, die sich täglich einsetzen, schuldig.

Die Regierung wird dafür kritisiert, dass sie das Verteidigungsministerium als letztes Ministerium, das zum Zuge kommt, für den Haushaltsausgleich missbrauche. Dass der Bericht gerade jetzt bei der Presse bekannt wird, hat natürlich damit zu tun, dass bei den derzeitigen Haushaltsverhandlungen für 2013 und möglichen Einsparungen schon wieder in Richtung Verteidigungsministerium geschielt wird.

Verteidigungsminister Pieter De Crem wird durch den Bericht politisch in Verlegenheit gebracht. Noch im März dieses Jahres hatte der Generalstabschef der Armee, Charles-Henri Delcour, gekündigt, weil er mit der Politik des Ministers nicht einverstanden war.

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