"Großes Polizeikorps aber wenig Struktur"

Regelmäßig beklagen sich die Gewerkschaften der Polizei in Belgien, dass die Einheiten über zu wenig Personal verfügen. Dies wiederspricht allerdings den Angaben von Fachleuten, die sagen, dass unser Land das größte Polizeikorps der Benelux-Länder hat.

Fachleute haben festgestellt, dass in Belgien auf 1.000 Einwohner 3,7 Polizisten kommen. Damit hat unser Land im Vergleich zu den Niederlanden und zum kleinen Luxemburg das größte Polizeikorps. Das verhindert allerdings nicht, dass in Belgien vergleichsweise mehr Straftaten begangen werden.

Vor dem Hintergrund der tödlichen geendeten Attacke auf einen Mitarbeiter der regionalen Brüsseler Nahverkehrsgesellschaft De Lijn am Osterwochenende ist diese Problematik interessant. Ab sofort werden Busse und Bahnen, sowie Haltestellen und Metrostationen in Brüssel von 70 zusätzlichen Beamten bewacht. Mittelfristig sollen 400 zusätzliche Polizisten den Nahverkehr im Ballungsraum Brüssel bewachen. Vielen, allen voran den Polizeigewerkschaften, reicht das nicht. Hier werden landesweit sogar 3.000 zusätzliche Polizeibeamte gefordert.

Derzeit zählt unser Land rund 40.000 Polizisten. Berechnet auf die Bevölkerungszahl sind das 3,7 Beamte auf 1.000 Einwohner. Die benachbarten Niederlande zählen 2,2 Polizisten auf 1.000 Bürger. Auch in Luxemburg und in Deutschland sind vergleichsweise weniger Polizisten im Einsatz. Mehr Beamte pro Kopf zählt bei den belgischen Nachbarländern lediglich Frankreich. Trotzdem liegen die Kriminalitätsstatistiken in Belgien vergleichsweise höher.

Der belgische Kriminologe, Professor Cyrille Fijnaut (Lehrstühle in Löwen, Rotterdam und Tilburg), ist der Ansicht, dass dies an der mangelhaften Struktur der Polizei in Belgien liegt. Unser Land zähle mit 200 Polizeizonen eigentlich zu viele dieser Zonen und die Organisation dieser Einheiten binde zu hohe Finanzmittel, die andernorts fehlen würden. Zudem wiegt der Verwaltungsdruck zu schwer, was auf dem Terrain dringend nötige Polizisten an die Schreibtische festheftet. In unseren Nachbarländern sei die Polizei wesentlich flexibler, so Professor Fijnaut in der Freitagsausgabe der Tageszeitung De Morgen:

"Die Niederlande haben eine landesweite Polizei, Frankreich zwei. In Deutschland hat jedes Bundesland eine Polizei. Dadurch sind die Beamten viel flexibler. Das (Belgiens Innenministerin) Milquet (CDH) Kapazitäten freimachen muss, um den Nahverkehr zu sichern, ist ein Zeichen von Ohnmacht.“ Zusätzliche Beamte für Brüssel müssen in anderen Städten und Gemeinden abgezogen werden. Die betroffenen Bürgermeister wird’s freuen.

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