Die Vier Jahreszeiten an einer Kreuzung in Berchem

Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Das sind nicht nur die vier Jahreszeiten unseres Jahres, sondern auch die Namen von vier außergewöhnlichen Häusern mitten im Art-Nouveau-Viertel im Antwerpener Ortsteil Berchem. Dass diese vier einfach nur schönen Gebäude aus dem Jahr 1899 noch stehen, ist internationalem Protest in den 1970er Jahren zu verdanken. Damals stand die Idee im Raum, Teile dieses architektonisch einzigartigen Stadtviertels dem Erdboden zu Gunsten von Neubauprojekten dem Erdboden gleich zu machen.

Die Vier Jahreszeiten bilden die Ecken der Kreuzung zwischen der Generaal Van Merlenstraat und der Waterloostraat mitten im historischen Altstadt- und Art-Nouveau-Viertel von Berchem in Sichtweite des Bahnhofs Antwerpen-Berchem.

Die vier außergewöhnlichen Häuser wurden 1899 von der Gesellschaft „Naamlooze Maatschappij voor het Bouwen der Bürgerhuizen“ ihrer Bestimmung übergeben. Sie bildeten den Grundstock für eine ganze Reihe von Herrenhäusern, die dort für eine gewisse „Grandeur“ sorgen sollten. Ziel war damals, direkten Anschluss an die mondäne Wohnstraße Cogels-Osylei zu schaffen, was auch später gelang. In der Cogels-Osylei standen bereits mehrere Wohnhäuser damals modernster Bauweise. Wohlhabende Mitglieder der Antwerpener Bourgeoisie schufen sich hier quasi ein eigenes Stadtviertel, dass heute nicht nur Reichtum und Wohlstand ausstrahlt, sondern auch geballte Architekturgeschichte.

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Die Vier Jahreszeiten bilden eine Einheit mit ihren vier fast identischen Häusern, die sich nur in Details und Farbgebung voneinander unterscheiden. Ihr Architekt, Jos Bascourt, entwarf besonders detailreiche Spielereien, die den Häusern ein einzigartiges Aussehen verleihen. Selbst die Art und Weise, wie Bascourt seine Signaturen anbrachte, sind verschieden voneinander. Doch diese Detailunterschiede stören die Einheit der Vier Jahreszeiten überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Sie fördern das genaue Hinsehen, wenn man die Häuser besucht und entdeckt. Hauptbaumaterial sind weiße Glasursteine. Nur dort, wo man nicht hinsehen kann, zumindest von außen, wurde roter Backstein verwendet.

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Überall sind Zeichnungen, detailreiche Mosaike, farblich je nach Haus unterschiedliche Linien, Erker und Elemente zu finden und innen sind Böden und Flure voller Mosaikbilder gestaltet und die Treppenhäuser weisen typische Art-Nouveau-Elemente auf, wie Blumen, Stuckaturen und verspielte Treppengeländer. Überall, sowohl außen von der Straßenseite her, als auch innen oder in Gärten und Terrassen unterstreichen schmiedeeiserne Geländer und strukturelle Elemente die Verspieltheit der Entwürfe.

Drei der vier Vier Jahreszeiten sind oder waren in der letzten Zeit zu verkaufen. Jedes Mal stand ein Preis von knapp einer Million Euro im Raum. Die Immobilienpreise im ganzen Viertel haben sich im Laufe der vergangenen 30 Jahre quasi vervierfacht.

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Wo jahrelang Hippies, Künstler und Schriftsteller günstigen Wohnraum fanden und wo Jahrzehnte lang Familien lebten, die den eigentlichen historischen und architektonischen Wert ihrer Behausungen gar nicht kannten oder wertschätzen konnten, zeigt sich heute ein Wohnungsmarkt, den sich nicht mehr jeder leisten kann.

Doch dies soll nicht davon abschrecken, diese besonderen Vier Jahreszeiten einmal zu besuchen und in Augenschein zu nehmen. Das gesamte Viertel reiht eines nach dem anderen wunderbare Häuser der verschiedensten Baustile an, besonders solche, die an der Schwelle des 19. zum 20. Jahrhundert „voll im Trend“ waren.

Der Autor dieser Zeilen möchte sich bei der Flämischen Literaturstiftung VFL und beim Besitzer des Frühlings, wo die Stiftung noch ihren Sitz hat, für die Freundlichkeit bedanken, ihm Zugang zu gewähren, um einen Blick ins Innere eines der Häuser werfen zu dürfen. Übrigens, auch der Frühling steht derzeit zum Verkauf und die VFL zieht in die Antwerpener Innenstadt um.

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