Bietet Privileg von 1666 Fischern Brexit-Schutz?

Ein englisches Privileg aus dem Jahr 1666 bietet Fischern aus Brügge die theoretische Möglichkeit, auch nach dem Brexit weiter in den Gewässern Großbritanniens zu fischen. Flanderns Ministerpräsident Geert Bourgeois (N-VA) wartete kürzlich mit diesem historischen Dokument auf, das erst 1963 wiederentdeckt wurde. Ob dies der Fischerei im belgischen Bundesland Flandern, die nach dem Austritt der Briten aus mehreren Abkommen ein wichtiges Fanggebiet verlieren, einen Ausweg bietet, ist allerdings fraglich.

Mit dem Brexit, dem Austritt Großbritanniens aus der EU, und dem vor einigen Tagen angekündigten Austritt der Briten aus dem internationalen Fischereiabkommen von 1964 (also vor dem Beitritt der Briten zur EU) verlieren die hiesigen Fischer ein wichtiges Fanggebiet.

Der britische Umweltminister Michael Gove kündigte unlängst an, im Zuge der Rückgewinnung der Kontrolle über die eigenen Gewässer, das Territorium seines Landes auf See auf 200 Seemeilen Umkreis (320 km) auszuweiten.

Doch am Mittwochabend zauberte Flanderns Ministerpräsident Bourgeois in der VRT-Sendung „Terzake“ (Zur Sache) eine mögliche aber sehr theoretische Lösung aus dem Ärmel: Eine Kopîe eines Dokuments aus dem Jahre 1666, in dem der damalige britische König Charles II. 50 Fischern aus Brügge auf ewig das Privileg ausstellt, Zugang zu den britischen Gewässern zu haben (Foto).

Die Fischereiabkommen von 1983, 1964 und… 1666

Laut EU-Recht haben alle Fischer aus den Ländern der Europäischen Union die Möglichkeit, in den Gewässern aller anderen EU-Staaten zum Fang auszufahren. Dieses Recht ist durch das europäische Fischereiabkommen von 1983 geregelt. Nach vollzogenem Brexit gilt dieses Abkommen aber nicht mehr und jetzt sich die britische Politik gegen ein noch älteres Abkommen, um seine Hoheitsrechte auf See zu wahren und zu vergrößern.

Das ist das internationale Fischereiabkommen aus dem Jahr 1964 (die sogenannte Londoner Konvention), dass Fischern aus Belgien, Irland, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland erlaubt, in einer Zone von 6 bis 12 Seemeilen vor der britischen Küste zum Fang auszufahren. Dieses Abkommen wurde übrigens vereinbart, bevor die Briten der Europäische Union beitraten.

Diese britischen Vorhaben könnten aber, auch wenn es absurd und rein hypothetisch klingt, über ein noch älteres Abkommen stolpern, dass zumindest Fischern aus dem belgischen Bundesland Flandern uneingeschränkten Zugang zu den britischen Gewässern gewährt, um dorthin zum Fang auszulaufen. In den Archiven der Stadt Brügge wurde 1963 ein Dokument aus der Zeit des britischen Königs Charles II. wiederentdeckt. Dieses Dokument aus dem Jahre 1666 bietet 50 Fischern aus Brügge über ein verbrieftes Privileg einen ewigen Zugang zu den britischen Gewässern.

(Lesen Sie bitte unter dem Dokument weiter)

Prozess vermieden

Dieses Dokument so Lisa Lust, eine Mitarbeiterin des Kabinetts von Ministerpräsident Bourgeois gegenüber der VRT-Nachrichtenredaktion, wurde 1963 entdeckt, also noch ein Jahr vor der Konvention von London.

Der Clou an der Sache ist, dass sich direkt nach der Wiederentdeckung dieses historischen Dokuments ein Schöffe, also ein Stadtverordneter von Brügge auf ein Fischerboot begab, um in britisches Hoheitsgewässer einzufahren. Dies mit dem Ziel, sich dort festnehmen zu lassen, um einen Prozess zu provozieren. Damit sollte sichergestellt werden, dass dieses historische Gültigkeit hat.

Ein Prozess fand damals nicht statt, wohl auch, weil Mitarbeiter des damaligen britischen Fischereiministers diesem davon abgeraten hatten, einen Prozess zu führen. Aus später freigegebenen britischen Dokumenten ist ersichtlich, dass man schon damals in London befürchtete, dass das Privileg von 1666 rechtlich gültig ist.

Und jetzt?

Eigentlich könnten 50 in Brügge gemeldete Fischer versuchen, sich auf dieses Privileg heute zu berufen, falls die britische Regierung tatsächlich versuchen sollte, ihr Seeterritorium nach dem Brexit und dem Verlassen der Konvention von London auszuweiten. Bedingung wäre, dass die Briten das Privileg von 1666 nicht inzwischen durch ein anderes Gesetz ersetzt haben.

Dies ist aber nach Ansicht der Kabinettsmitarbeiterin von Ministerpräsident Bourgeois unwahrscheinlich. Lisa Lust gibt zu verstehen, dass Bourgeois dieses Dokument vor allem aus historischen Gründen hervorgeholt hat: „Das kann eigentlich kein starkes Argument bei den Brexit-Verhandlungen sein, doch ganz ist nicht ausgeschlossen, dass Brügger Fischer auch heute noch das Recht haben, in britischen Gewässern zum Fischfang auszufahren.“

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