Will Europa belgische Fritten verbieten?

Flanderns Tourismusminister Ben Weyts (N-VA) befürchtet, dass die belgische Methode des Kartoffelfrittierens nicht mehr mit europäischen Regeln kompatibel sein wird. Er fordert den zuständigen EU-Kommissar auf, diese belgische Tradition zu retten. Der grüne Europarlamentarier Bart Staes wirft Weyts rabiates EU-Bashing vor.

Die EU-Kommission will Acrylamid wo möglich aus unser Nahrung verbannen. Wie Acrylamid in den in Lebensmitteln gefundenen Konzentrationen beim Menschen wirkt, ist wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt. Aufgrund von Tierversuchen wird Acrylamid jedoch als möglicherweise krebserregend und erbgutschädigend angesehen.

Acrylamid ist ein Ausgangsstoff für die Kunststoffherstellung, kann aber auch auf natürliche Weise bei starker Erhitzung von kohlenhydratreichen Lebensmitteln wie zum Beispiel Kartoffeln und Getreideprodukten entstehen. Im Vergleich mit anderen Lebensmitteln besonders hohe Gehalte an Acrylamid finden sich vor allem in frittierten Kartoffelprodukten wie Chips und Pommes frites.

Je länger und je heißer rohe Kartoffelstücke frittiert werden, desto höher dürfte auch ihr Acrylamid-Gehalt liegen. Acrylamid ist ein Nebenprodukt der sogenannten Bräunungsreaktion, die bei Röst-, Back- und Bratvorgängen stattfindet und für die typische Farbe, Duft und Geschmack sorgt. Je dunkler die Fritten, Backofenkartoffeln oder Chips sind, desto höher ist wahrscheinlich auch ihr Acrylamid-Gehalt.

Frittenkultur

Um den Acrylamid-Gehalt in frittierten Kartoffeln zu verringern, will die EU vorschreiben, dass nur noch kurz vorgekochte Kartoffeln in heißem Öl frittiert werden dürfen. Das ist aber mit der belgischen Frittenkultur nicht vereinbar, findet Flanderns Tourismusminister Ben Weyts (N-VA, Foto).

Belgische Pommes Frites oder Fritten entstehen, wenn rohe Kartoffelstäbchen zwei Mal in heißem Öl oder Rinderfett gebacken werden: Ein erstes Mal bei +/- 150 ° und dann nach einer kurzen Abkühlung ein zweites Mal bei +/- 175 °. Nur so entstehe diese nationaltypische Delikatesse, argumentiert Minister Weyts: „Diese Frittenkultur wollen wir retten“.

Er schrieb Vytenis Andriukaitis, dem EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, einen Brief. „Es wäre doch eine Sünde, wenn die Europäische Union diese himmlische Kulinariktradition verböte“, heißt es in dem Schreiben. Mit vorgekochten Kartoffeln seien belgische Pommes einfach nicht zu machen, findet der Minister. Mit ihrem „Gesundheitsfetischismus“ entfremde sich die Europäische Kommission immer weiter von der tagtäglichen Realität ihrer Bürger.

Jasper Jacobs

„Agitator“

Bart Staes (Foto), Europarlamentarier der flämischen Grünen (Groen), kritisierte die Initiative von Minister Weyts. Der flämische Nationales verhalte sich wie ein „euroskeptischer Agitator, nicht wie ein Verantwortungsträger“.

Staes stellt fest, dass schon seit Monaten über das potentiell krebserregende Acrylamid gesprochen werde. Die Europäische Kommission gehe dabei „sehr umsichtig“ vor und die Lebensmittelbranche sei bei diesen Gespräch voll mit einbezogen.

„Das Weyts jetzt wie ein Elefant im Porzellanladen mit einem Bonmot die ganze Debatte im wahrsten Sinne des Wortes vergiftet und die Krebsbekämpfung auf polemische Art und Weise in Gefahr bringt, ist inakzeptabel“, urteilt Staes. „In Großbritannien waren solche Halbwahrheiten in den Boulevardzeitungen mitverantwortlich für das Brexit-Referendum.“

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