"Das abwesende Museum" im Kunstzentrum Wiels

Das Kunst- und Kulturzentrum Wiels hat sich für das 10jährige Bestehen eine ganz besondere Art des Ausstellungskonzepts entschieden. Zum einen beweist die Ausstellung „Das abwesende Museum“ auf die Tatsache hin, dass es in Brüssel noch immer kein offizielles Museum für zeitgenössische Kunst gibt und zum anderen stellt das Haus Kunst im öffentlichen Raum in Frage und sorgt damit für eine entsprechende und konstruktive Debatte.

Das imposante Zentrum Wiels im Brüsseler Stadtteil Vorst ist für Konzepte rund um zeitgenössische Kunst im Besonderen und für Kultur im Allgemeinen wie geschaffen. Das monumentale Gebäude beherbergte früher einmal die Wielemans Brauerei, eine Brüsseler Traditionsbrauerei. Seit inzwischen 10 Jahren sind hier Kunst und Kultur zu Hause. Während man im Erdgeschoss im Eingangsbereich und im Kulturcafé noch zwischen kupfernen Braukesseln sitzt, erinnert ansonsten fast nichts mehr an den früheren Zweck des Gebäudes. Die Vielzahl an Räumlichkeiten bietet Kunstkonzepten aller Art heute neutralen Raum und die Möglichkeit, Objekte oder Vorführungen ganz auf sich selbst wirken zu lassen.

Gerade die aktuelle Ausstellung zum 10jährigen Bestehen der Initiative unterstreicht dies auf besondere Weise. 47 Künstler stellen aus oder werden in den insgesamt drei Locations (die Brauerei an sich und die beiden sonst noch übrig gebliebenen Nebengebäude Brass und Métropole) ausgestellt. Der Titel der Ausstellung, „Das abwesende Museum“, stellt schon von Anfang an klar, um was es hier geht.

Dirk Snauwaert, der künstlerische Direktor des Hauses, sagte gegenüber der Brüsseler Nachrichtenplattform BRUZZ: „Wiels hat kein Statut als Museum, wird im Volksmund aber so genannt. Das ist sowohl ein Zeichen der Anerkennung, als auch ein Spiegel dessen, was das Publikum vom Wiels als Institution erwartet.“

Hinzu kommt noch, dass Brüssel bisher kein Museum für zeitgenössische Kunst vorweisen kann, auch wenn die entsprechende staatliche Sammlung sehr groß ist. Brüssel will hier als Stadt und Region zwar die alte Citroën-Garage, ein Art-Deco-Auto-Showroom im Brüsseler Nordviertel in Kooperation mit dem Louvre in Paris eröffnen, doch hier läuft wohl eine endlose politische Diskussion… Das Bedarf besteht, sowohl auf künstlerischer Seite, als auch von Seiten des Publikums her, unterstreicht das Wiels bereits seit Jahren und erst recht mit der aktuellen Ausstellung.

Beeindruckende Liste an Künstlern

Die Liste der hier ausgestellten lebenden oder bereits verstorbenen Künstler ist lang und viele der hier gezeigten Werke kommen auch aus privaten Sammlungen: Francis Alÿs, Archives de l'Ambassade Universelle, Younes Baba-Ali, Jo Baer, Monika Baer, Sammy Baloji, Guillaume Bijl, Dirk Braeckman, Marcel Broodthaers, stanley brouwn, Daniel Dewar & Gregory Gicquel, Marlene Dumas, Jimmie Durham, Jana Euler, Olivier Foulon, Michel François, Ellen Gallagher, Mekhitar Garabedian, Isa Genzken, Jef Geys, Jos de Gruyter & Harald Thys, Thomas Hirschhorn, Carsten Höller, Cameron Jamie, Ann Veronica Janssens, Martin Kippenberger, Goshka Macuga, Mark Manders, Lucy McKenzie, Wesley Meuris, Nástio Mosquito, Jean-Luc Moulène, Le Mur, Oscar Murillo, Otobong Nkanga, Felix Nussbaum (siehe Kasten), Willem Oorebeek, Marina Pinsky, Lili Reynaud-Dewar, Gerhard Richter, Walter Swennen, Wolfgang Tillmans, Rosemarie Trockel, Luc Tuymans, Peter Wächtler, Christopher Williams und Nil Yalter.

Felix Nussbaum

Felix Nussbaum (*1904, Osnabrück, + 1944, Auschwitz) war ein bedeutender deutsch-jüdischer Maler. Nachdem die Nazis 1932 sein Atelier anzündeten, kehrte Nussbaum Deutschland den Rücken. Er emigrierte in 1935 über Frankreich nach Belgien und versteckte sich von 1942 bis 1944 in Brüssel in einer winzigen Mansarde in der Archimèdestraat 22 unweit des Gebäudes der EU-Kommission. Am 20. Juni 1944 wurde er denunziert und verhaftet und wenige Wochen später in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo er ermordet wurde.

Auf Initiative der Deutschen Schule Brüssel wurde 2005 eine Gedenktafel am Ort des letzten Verstecks von Nussbaum angebracht (kl. Foto). Das Gebäude ist heute ein modernes Reisebüro, doch damals, zu Kriegszeiten, soll hier eine Apotheke gewesen sein. Und der Apotheker hat Nussbaum und dessen Frau wohl hier versteckt und einige hier entstandene Werke blieben durch sein Zutun offenbar bestehen.

"Maler mit Maske", Felix Nussbaum (um 1935), Privatbesitz Osnabrück

Einzigartige Ausstellung

Die ehemalige riesige Brauerei Wielemans eignet sich, wie bereits erwähnt, ganz besonders für zeitgenössische Kunst und sorgt dafür, dass viele teilweise grundverschiedene Arbeiten hier eine besondere Spannung erzeugen. Die sich überschneidende Wirkung zwischen Raum, Kunstkonzepten und Geräuschkulisse ist in ihrer Art einzigartig. Das beweisen Werke aus der Zwischenkriegszeit, Arbeiten weltweit bekannter zeitgenössischer Künstler aus Belgien, wie Francis Alÿs oder Luc Tuymans und Bilder und Installationen internationaler Künstler, die noch nicht überall den Durchbruch geschafft haben.

Zu den (für den Verfasser dieser Zeilen) herausragenden Künstlern und Werken gehören hier neben denen von Felix Nussbaum der Niederländer Marl Manders mit der Skulptur „Dry Clay Head“ im Brass-Gebäude (Foto oben) und auch der aus dem Kongo stammende Sammy Baloji mit seinen Fotomontagen aus der afrikanischen Region Sub-Sahara.

Ganz besonders treffend setzte sich auch die Künstlerin Lili Reynaud-Dewar mit dem Thema „Das abwesende Museum“ auseinander. Ihre Installation „Small Tragic Opera of Images and Bodies in the Museum“ im Brass-Gebäude (kl. Foto) entstand für diese Ausstellung und könnte ein Hieb auf die Brüsseler (und belgische) Kulturpolitik im Hinblick auf die zeitgenössische Kunst sein…

Mit dieser Ausstellung unterstreicht das Wiels in Brüssel seine führende Rolle in diesem Bereich in Europa und schafft damit, was der Kulturpolitik in der belgischen (und europäischen) Hauptstadt nicht gelingt: Zeitgenössische Kunst zeitgenössisch zu präsentieren. Die Ausstellung „Das abwesende Museum“ läuft noch bis zum 13. August 2017 und bietet ein reichhaltiges Rahmenprogramm mit Events aller Art.

WIELS, Zentrum für Zeitgenössische Kunst

Van Volxemlaan 354, 1190 Brussel-Vorst

Einfach erreichbar vom Brüsseler Bahnhof Süd/Midi aus (15 min Fußmarsch) oder von dort aus mit den Buslinien 49 und 50, sowie den Tramlinien 82 und 97 - jeweils Haltestelle Wiels.

Parkplatz hinter dem Gebäude, Ring - Autobahnabfahrt 17 (Anderlecht Industrie) Richtung „Centrum - Albert“.

Mehr Info: www.wiels.org

"Human Resources" von Oscar Murillo

"Untitelt" von Sammy Baloji

Marl Manders' Skulpturen im Brass

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