Renata von Hoessle läßt Pferde tanzen

"In Deutschland ist mir die Freiheit zu einem selbstverständlichen Gut geworden – ich habe mich daran gewöhnt. Um zu bemerken, wie wertvoll dieses Gut in Wahrheit ist, dazu musste es mir kurz genommen werden...", schreibt die Künstlerin Renata von Hoessle in ihrem Buch über Kairo. Renata ist aber vor allem Malerin und ihr immer wieder kehrendes Motiv sind Pferde. Sie hat als Tochter eines deutschen Diplomaten in vielen Ländern, u.a. in Algerien, gelebt. Heute wohnt sie in Brüssel. "Jede neue Erfahrung, jeder neue Ort hat seinen Abdruck in meinen Bildern hinterlassen", sagt sie im Interview mit unserer Redaktion im Vorfeld ihrer nächsten Ausstellung mit dem Titel "danse" vom 25. Novemer bis 18. Dezember im Art Center in Sint-Lambrechts-Woluwe (Brüssel).

"Es ist als sei ich das Gefäß, das alle Eindrücke der Umgebung aufsaugt und dann in Malerei oder Sprache übersetzt", stellt sich Renata von Hoessle vor (rechts auf dem großen Foto unten).

"Als Deutsche mit einem deutschen Vater und einer bengalisch-estnischen Mutter wurde ich in Kuwait geboren und wuchs unter Anderem in Algerien und Deutschland auf. Immer malte oder zeichnete ich, auf allem, was ich finden konnte."

Von Pferden und der Freiheit

Ihre Werke behandeln immer wieder das Thema Pferde, warum? Wie finden Sie stets neue Inspirationen?

"Pferde haben immer schon eine große Rolle in meinem Leben gespielt. Es gibt eine lustige Anekdote hierzu: Als ich 3 Jahre alt war besuchten meine Eltern mit mir Freunde, die eine gleichaltrige Tochter hatten. Diese hatte ihre Zimmerwand mit abstrakten Kritzeleien bedeckt. Kurze Zeit nach unserer Ankunft befand sich an besagter Wand ein Pferd - und meine Eltern konnten nicht leugnen, dass ich es war, die es an die Wand gebracht hatte.

Im Alter von 6 Jahren lernte ich in Algerien reiten auf stolzen algerischen Berberpferden. Mein Vater war für 3 Jahre nach Algier versetzt worden und in meiner Erinnerung ist es das landschaftlich schönste und vielfältigste Land der Welt. Lange nach der Abreise von Algier habe ich dem Freiheitsgefühl, das ich in jenem Land verspürte, nachgetrauert. Die wunderbare Weite, die man so oft dort findet und das besondere Licht, von dem bereits Camus schrieb, machen Algerien zu einem magischen Ort.

Das kleine zähe Berberpferd und die algerische Landschaft wurden für mich zu einem Sinnbild der Freiheit - und dies ist bis heute so geblieben.

Die Bewegung der Pferde ist für mich ein kraftvoller Tanz und beinhaltet gleichzeitig ein unzähmbares Streben nach Freiheit. Ich will diese elegante Kraft und den unmittelbaren Drang der Pferde in meinen Bildern einfangen - oder zumindest eine Momentaufnahme davon.

Wie wichtig mir Freiheit ist liest man auch in meinem Buch über Kairo: 'In Deutschland ist mir die Freiheit zu einem selbstverständlichen Gut geworden – ich habe mich daran gewöhnt. Um zu bemerken, wie wertvoll dieses Gut in Wahrheit ist, dazu musste es mir kurz genommen werden...'

Man könnte das Pferd auch als mein Lieblingsthema bezeichnen. Einmal erhielt ich einen Auftrag eines sehr guten Kunden, ein Stilleben für ihn zu malen. Ich hatte ihm vorher gebeichtet, dass das Malen von Stilleben mir am wenigsten Freude bereitete und er hatte es sich wohl in den Kopf gesetzt mich herauszufordern. Nun, selbst in seinem Stilleben fand ich einen Weg, ein steigendes Pferd hineinzubauen, nämlich als Tischbein."

Von grellen Farben Indiens bis zum wolkenverhangenen Himmel Belgiens

Sie haben in einigen Bildern besonders intensive Farben verwendet, die eher an orientalische Länder erinnern, dann wieder eher dunkle, zurückhaltende Töne. In wieweit spiegelt sich Ihr Leben in den Bildern wieder?

"Ich werde immer sehr stark beeinflusst von der Umgebung, in der ich lebe. Die grellen Farben Indiens finden sich auf meinen Leinwänden, sowie die wolkenverhangenen Himmel Belgiens.

Ich studierte Kunst in Köln, Cairo und in Delhi, wo mich die bekannte indische Künstlerin Anjolie Ela Menon unter ihre Fittiche nahm. Ich wurde sehr beeinflusst von den leuchtenden indischen Farben und der reichen, lebendigen Kultur, die in unzähligen Impressionen auf mich einprasselte.

Vieles von meinem einjährigen Aufenthalt in Indien findet sich immer wieder auf meinen Leinwänden wieder - etwa indische Gottheiten und Fabelwesen, sowie die reichen Farben Rajasthans. In der Wüste Rajasthans habe ich ein Praktikum bei einer Entwicklungshilfestation gemacht und dabei einige von der restlichen Welt abgeschnittenen Dorfkulturen kennengelernt...

Nach meinem Studium begann ich zunächst In Kairo zu arbeiten. Auch diese 6 Monate lassen sich übrigens in den Bildern gut erkennen. In Ägypten konnte ich meistens draußen malen und so verwendete ich häufig Farben, die bei Gebrauch in geschlossenen Räumen sehr giftig wirken, dafür aber eine besondere Leuchtkraft hatten. In meinem Buch 'Eine Nacht in Kairo' beschreibe ich detailliert das Leben in dieser leuchtenden, lauten und zugleich so erschöpfenden Stadt, die niemals schläft."

Wie eine Weltreisende durch Brüssel

Sie haben in vielen Ländern, z.B. Algerien, Ägypten, Indien und auch Deutschland ausgestellt. Jetzt ist Brüssel dran und Sie stellen dort nicht das erste Mal aus. Was macht diesen Ort als Ausstellungsort so besonders?

"2011 führte mich das Leben dann endlich nach Belgien - zunächst ein Jahr aufs Land und nun lebe ich seit dem Sommer 2012 in Brüssel (...).

Ich empfinde Brüssel als eine unglaublich kontrastreiche Stadt. Auf der einen Seite ist sie sehr international und bietet beeindruckende Bauwerke und Alleen und auf der anderen Seite hat jedes Stadtviertel seine eigene Identität, was dazu führt, dass ich mich wie ein Weltreisender fühle, wenn ich durch diese Stadt fahre. Ich entdecke ständig Neues und das ist sehr inspirierend.

Was mich zudem besonders fasziniert, sind die Brüsseler selber. Immer haben sie ein Lächeln auf den Lippen, immer sind sie zu einem Gespräch und Hilfestellung bereit und diese warmherzige Menschlichkeit im Umgang miteinander empfinde ich als sehr wertvoll und für mich als Zugereiste ist es ein Geschenk, das mir ganz schnell ermöglicht hat, mich hier zurechtzufinden und wohlzufühlen."

Wie ist das Publikum in Belgien im Vergleich zu anderen Ländern, in denen Sie ausgestellt haben?

"Die Menschen in Belgien lieben Kunst. Sie sind sehr offen für Neues und stellen sehr interessante Fragen zu meinen Bildern.

In Europa gibt es ja keine Zensur, nicht wie in Beispielsweise Ägypten oder Indien. Nackte Frauen, die ich auch hin und wieder sehr gerne male, dürfen in Ägypten gar nicht ausgestellt werden und auch in Indien sorgen sie für einen regen Skandal. Das bringt uns dann wieder zu dem Wert der Freiheit."

'Danse'

...Und zurück zu den Pferden und zu Ihrer nächsten Ausstellung in Brüssel mit dem schönen Titel 'danse' (dt. 'Tanz').

"Die Bewegung der Pferde ist für mich ein kraftvoller Tanz und beinhaltet gleichzeitig ein unzähmbares Streben nach Freiheit. Ich will diese elegante Kraft und den unmittelbaren Drang der Pferde in meinen Bildern einfangen - oder zumindest eine Momentaufnahme davon.

Kairo, 2008 Kairo

Stolz, 2008 Bonn

Gleissend, 2012 Brüssel

Renata von Hoessle

Pferde SchwarzRotGold, 2015 Brüssel

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