Wie ein Glockenspiel Neuss und Löwen verbindet

Was ein Krieg einst trennte, findet im Frieden zusammen. So könnte man die Geschichte zwischen Löwen (Leuven) in der Provinz Flämisch-Brabant und Neuss in Nordrhein-Westfahlen rund 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg zusammenfassen. Am 25. August 1914 brannten kaiserliche Truppen die alte Universitätsstadt fast vollständig nieder. Daran war auch eine Neusser Garnison beteiligt. Heute beteiligt sich die rheinische Stadt am Neubau eines historischen Löwener Glockenspiels, dessen Glocken gerade neu gegossen werden.

Alles dreht sich um das alte Glockenspiel aus der Parkabtei des Norbertiner-Ordens im Löwener Ortsteil Heverlee (Foto unten). Das 40 Glocken umfassende Geläute war seit 1730 Teil dieser im 12. Jahrhundert entstandenen Abtei, zog aber im Laufe des 19. Jahrhunderts in die Sint-Pieterskirche in Löwen um. Dort viel es am 25. August 1914 mit weiten Teilen des städtischen Patrimoniums von Löwen der deutschen Zerstörungswut zum Opfer.

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Daran waren auch Soldaten des Neusser Landsturm-Bataillons - ein Bataillon aus älteren Reservisten und jungen Freiwilligen - maßgeblich beteiligt, wie Forschungen des Stadtarchivars von Neuss 100 Jahre danach ans Tageslicht brachten. Damals verloren mehr als 240 Löwener Bürger ihr Leben. Zahlreiche Denkmäler und Kunstwerke der historischen Universitätsstadt und auch mehr als 1.000 Wohnhäuser vielen den Flammen zum Opfer. Sogar die bereits damals weltberühmte Bibliothek der Universität (Foto unten) brannte nieder, mitsamt ihres Bücherschatzes.

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Vor einiger Zeit wurde in Löwen beschlossen, das alte Glockenspiel aus der Parkabtei in Heverlee wieder aufzubauen, denn die Pläne zum Bau dieses Instruments blieben von den Flammen vor über 100 Jahren verschont. Symbolisch soll dieses Glockenspiel ein Friedensglockenspiel werden. Im August 2016 kamen sich Neuss und Löwen im Rahmen einer Gedenkfeier in der brabantischen Universitätsstadt näher und die beiden Bürgermeister Louis Tobback (SP.A) und Rainer Breuer (SPD) vereinbarten dabei, in Zukunft auf kultureller Ebene enger zu kooperieren.

Dabei hörte die Neusser Delegation auch von den Plänen, das alte Glockenspiel wieder erklingen zu lassen und die rheinische Stadt beteiligte sich am entsprechenden Fundraising. Und die Stadt Neuss beteiligt sich mit 40.000 € aus der kommunalen Kasse an dem Projekt und macht damit das Gießen einer der beiden großen Glocken möglich. Ganz nebenbei ruft die Stadt ihre Bürger und Unternehmer dazu auf, sich an dem Fundraising zu beteiligen.

In Löwen war und ist das Fundraising ein voller Erfolg. Privatpersonen, Unternehmen oder Serviceclubs, wie der Lions Club der Stadt, übernahmen die Finanzierung gleich mehrerer der insgesamt 40 Glocken. Sie Stadt selbst finanziert das Gegenstück zur von Neuss übernommenen Glocke. Insgesamt wird rund eine halbe Million Euro dazu benötigt. Von Anfang an unterstützt übrigens die Unesco, die Gesellschaft für Kultur und Wissenschaft der Vereinten Nationen, das Vorhaben.

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In diesen Tagen wurden und werden die ersten Glocken für das Glockenspiel gegossen (Foto oben). Bereits mehrmals beobachteten Delegationen aus Neuss und aus Löwen die entsprechenden Arbeiten in der niederländischen Glockengießerei in Asten. Auch die originalen Glocken waren damals in den Niederlanden entstanden und zwar in der Amsterdamer Glockengießerei von Claes Noorden und Jan Albert de Grave.

Das Glockenspiel wird zum ersten Mal offiziell am 11. November 2018 erklingen, genau 100 Jahre nach dem die Glocken in Belgien das Ende des Ersten Weltkriegs ankündigten. Daneben werden beide Städte parallel laufende Ausstellungen mit Plakaten und Verordnungen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs eröffnen. Darüber hinaus werden bald auch die Stadtarchive und die Bibliotheken zusammenarbeiten und jeweils Bücher über beide Städte anbieten.

Die Premiere des Glockenspiels gehört im November übrigens zu den zentralen Veranstaltungen zur 100jährigen Wiederkehr des Ende des Ersten Weltkriegs. Die Freundschaft zwischen Neuss und Löwen ist schon jetzt groß und der Weg zu einer offiziellen Städtepartnerschaft dürfte nicht mehr weit sein… Was ein Krieg einst trennte, findet im Frieden zusammen.

Das Stadtzentrum von Löwen

Die Sint-Pieters-Kirche

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