Lüdeking: "An einem Krieg ist nichts ästhetisches"

Rüdiger Lüdeking, der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel, stellte sich in einem Gespräch mit der flämischen Tageszeitung De Morgen Fragen bei der pompösen Gestaltung der Gedenkfeiern 100 Jahre nach der Schlacht von Passendale. Deutschland hatte sich in dieser Frage deutlich zurückgehalten, wenn auch nicht ganz freiwillig.

Schon am Tag nach den Gedenkfeiern zum 100. Jahrestags der Schlacht von Passendale im Ersten Weltkrieg tauchte Kritik an der Art und Weise, wie die britische Regierung diese Veranstaltung organisiert hatte. Hier habe Heldentum zu deutlich über dem Grauen des Krieges und speziell auch dieser Schlacht gestanden, lauteten die Vorwürfe und nicht wenige Kritiker stellten sich auch Fragen bei der „Nebenrolle“, die die Deutschen bei diesen Feierlichkeiten zugeteilt wurde.

Deutschlands Botschafter in Belgien, Rüdiger Lüdeking (kl. Foto), schloss sich solchen Kritiken via Twitter an: „Keine Ästhetisierung des Kriegsgrauens. Leitet die Aufmerksamkeit weg von wahrer Aufgabe. #Europa ist Friedensprojekt, muss sich vereinen.“ Die Redaktion der flämischen Tageszeitung De Morgen nahm dies zum Anlass, nach einem eigenen kritischen Kommentar mit Botschafter Lüdeking ein Gespräch zu führen. Hier vermied der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland jede Polemik und blieb sehr diplomatisch.

Unsere Haltung gegenüber der Gedenkfeier von Passendale ist ganz anderes, als die Großbritanniens und Belgiens. Wir sind uns des Leidens sehr bewusst, dass wir während der beiden Weltkriege verursacht haben und darum wählen wir eine ‚low key‘-Herangehensweise. Aber gleichzeitig wollen wir auch unterstreichen, dass viele hunderttausend deutsche Opfer auch Opfer einer kranken Kriegslogik waren. Es ist gut, auch daran zu erinnern. Wir sind allen Kriegsopfern etwas sehr wichtiges schuldig: wir müssen alles daransetzen, um den Frieden zu bewahren und Krieg zuvorzukommen.

Davor, Gedenkfeiern, wie die in Passendale als eine historische Show zu präsentieren, warnt Botschafter Lüdeking: „Die Schlacht von Passendale lehrt uns, wie grausam Krieg sein kann und lässt uns einsehen, dass es auch für Militärführer unzulässig ist, während eines Krieges mit den menschlichen Verlusten nicht Rechnung zu tragen. Deutschland ist in dieser Hinsicht sehr sensibel und dies ist einer der Gründe, warum wir solch ein Gedenken eher reserviert angehen.“

Lüdeking begründet dies mit der Vorsicht, solche nicht als Heldenverehrung missbrauchen zu lassen, wie dies die Nazis mit der Schlacht von Langenmarck taten. Damals waren zahllose Studenten als Kanonenfutter missbraucht worden und verloren ihr Leben: „Die Nazis machten aus Langenmarck einen Heldenmoment. So eine Herangehensweise ist unzulässig. Krieg ist schrecklich.

"Wir wollen kein deutsches Europa sondern ein europäisches Deutschland"

Lüdeking erinnert daran, dass auch der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel in Passendale war, doch habe sich die Veranstaltung an ein britisches Publikum gerichtet, doch eigentlich sei es so, dass Passendale wichtig für alle europäischen Länder sei. Schließlich hätten dort alle Soldaten das gleiche Los geteilt, denn sie hätten alle unter grausamen Umständen gekämpft und ein jeder habe sich dort auch Frieden gewünscht. Dabei denkt Botschafter Lüdeking nicht zuletzt auch an den weihnachtlichen Waffenstillstand Ende 1914, als alliierte und deutsche Soldaten gemeinsam Fußball gespielt hatten:

Das ist eine der wichtigsten Lektionen, die Deutschland aus den beiden Weltkriegen gelernt hat und die noch immer für unsere Außenpolitik bestimmend sind. Die europäische Einheit nach dem Zweiten Weltkrieg ist in erster Linie ein politisches Projekt. Es geht um die Erhaltung eines dauerhaften Friedens auf unserem Kontinent. Wir wollen kein deutsches Europa sondern ein europäisches Deutschland. Überdies können die Staaten in Europa nur gemeinsam Einfluss in dieser globalisierten Welt ausüben.

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