"Kunstschutz" oder "Die deutschen Negative"

Im Warandepark, dem Brüsseler Stadtpark zwischen Regierungsgebäuden und Königspalast, ist derzeit eine ganz besonders interessante Ausstellung zu sehen. Dort wird unter freiem Himmel eine Auswahl an Fotos gezeigt, die die deutschen Besatzer 1917 und 1918 belgienweit von Kunstgegenständen und auch vom architektonischen Kulturerbe unseres Landes anfertigten. In den kommenden Monaten werden solche Bilder auch in anderen Städten gezeigt.

Die Ausstellung im Warandepark ist eine Initiative des Königlichen Instituts für das künstlerische Kulturerbe (KIK) und des belgischen Wissenschaftsministeriums. Im Rahmen der 100 Jahr-Gedenkfeiern zum Ersten Weltkrieg werden die verschiedensten Aspekte aus dieser Zeit hierzulande beleuchtet. Dazu gehört auch die folgende Geschichte.

Während den beiden letzten Kriegsjahren 1917 und 1918 zog eine Gruppe von 30 deutschen Kunsthistorikern, Fotografen und Architekten durch das Land, um die wichtigsten Kunstgegenstände und Gebäude zu erfassen. Sie fotografierten damals rund 10.000 Kirchen und andere religiöse Gebäude, Herrenhäuser und andere kulturell wichtige und staatstragende Häuser, öffentliche Denkmäler sowie Kunstwerke und Inneneinrichtungen von zahlreichen Bauten aller Art. Etwa 10 Jahre danach erwarb der belgische Staat die Originale zu diesen Bildern, sprich die bis heute hervorragend gut erhaltenen Glasplatten, die Negative also.

Seit Ende der 1920er Jahre verwaltet das Königliche Institut für das künstlerische Kulturerbe (KIK) in Brüssel diese Sammlung und wertete diese in den vergangenen drei Jahren sorgfältig aus. Dabei wurden diese Glasplatten auch digitalisiert. Jetzt werden rund 100 dieser wunderbaren historischen Dokumente der Öffentlichkeit gezeigt. Und zwar bewusst nicht in einem Museum, sondern unter freiem Himmel im Brüsseler Warandepark, wo man viele Menschen aus der ganzen Welt erreichen will und kann.

Interessant ist dabei, dass einige Fotos Objekte zeigen, die aus den verschiedensten Gründen heraus heute nicht mehr existieren, z.B. weil sie Jahre später, während des Zweiten Weltkriegs, zerstört wurden oder weil sie, wie in Brüssel oftmals geschehen, Neubauprojekten weichen mussten (die Nordsüd-Verbindung der Eisenbahn oder der Bau des Justizpalastes, um nur zwei Beispiele zu nennen).

Dabei wird auch die Frage gestellt, warum die Deutschen seinerzeit diese Fotos anfertigten. Wollten sie sie nur erfassen? Oder die Kunstwerke nach einem Sieg nach Deutschland schaffen? Diese Fragen bleiben unbeantwortet im Raum stehen, was diese Geschichte auch in gewissem Maße spannend gestaltet. Die Deutschen selbst gaben dieser Aufgabe den vielsagenden Titel „Kunstschutz“.

Wie geht es weiter?

Diese Ausstellung mit ihrem vollständigen Titel „Die deutschen Negative (1917-1918). Das künstlerische belgische Kulturerbe durch die Linse des Besatzers“ im Warandepark in Brüssel läuft noch bei freiem Eintritt und unter freiem Himmel bis zum 17. September. Den Katalog zu dieser Ausstellung können Interessierte auf der Webseite des KIK (www.kikrpa.be) konsultieren. Hier kann auch zielgerichtet nach Städten, Gemeinden und spezifischen Orten gesucht werden.

Danach werden diese Bilder bis Ende 2018 auch in Ostende, Gent, Antwerpen und Tildonk gezeigt und auch in 44 Gemeinden in der flämischen Provinz Limburg. Und über die App des flämischen Kulturerbe-Verbandes FARO können entsprechende Bilder bei Wanderungen durch Antwerpen, Arlon, Brügge, Brüssel, Gent, Hasselt, Löwen, Lüttich, Namür, Mons und Waver wieder entdeckt werden.

Das Rathaus in Brüssel 1917 und 2017

Hier in Brüssel ist nichts mehr wie früher (Galerie Ravenstein)

Schattenspiele auf draußen ausgestellten Fotos

Kulturerbe in Belgien vor 100 Jahren...

Meist gelesen auf VRT Nachrichten